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Crystal-Welle erreicht kleine Städte

Der Kampf gegen die Horrordroge Crystal beginnt in Weißwasser. Mit einem Runden Tisch.

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© Wolfgang Wittchen

Von Thomas Staudt

Der Kampf gegen die Horrordroge Crystal beginnt in Weißwasser: Bei einem Runden Tisch zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Drogenkriminalität haben Vertreter aus Politik, Zoll, Justiz, Kommunen und Gewerkschaft gestern im Rathaus ein konzertiertes Vorgehen gegen die Ausbreitung der Modedroge Crystal gefordert. Der Bundesvorsitzende der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft, Thomas Liebel, bezifferte die für eine effizientere Fahndung erforderlichen Investitionen auf 20 Millionen Euro jährlich. Der Bedarf sei vor allem in den Bereichen Personal und Technik evident, so Liebel. Weißwasser sei nicht zufällig als Konferenzort ausgewählt worden, hieß es bei der Veranstaltung. Das Problem Crystal beschreibe eine Dreiländerproblematik: Aus Polen stammen zum überwiegenden Teil die Substanzen, aus denen die synthetische Droge, gewonnen werde. In Tschechien liegen die Drogenküchen und in Deutschland werde die Droge konsumiert. Weißwasser liegt bezogen auf die Kommunen im Landkreis Görlitz dabei unter den Top Ten. OB Torsten Pötzsch sagte, Crystal sei in der Stadt und der Region ein Riesenthema und werde dennoch vielfach totgeschwiegen.

Bei Crystal Meth, kurz: Crystal, handelt es sich um eine synthetische Droge in kristalliner Form, die überwiegend geraucht wird. Wie der leitende Arzt des Klinikums Görlitz, Dr. Mark Frank, bei dem Gespräch berichtete, wirke sie leistungssteigernd und euphorisierend, führe aber unmittelbar zu Abhängigkeit und extremem körperlichem Verfall. Laut Frank registrieren die Notaufnahmen der Kliniken eine zunehmende Zahl von Patienten mit Crystal-Abhängigkeit. Der Bildungspolitische Sprecher der Landes-CDU, Lothar Bienst, schätzt den prozentualen Anteil an jugendlichen Drogenkonsumenten hoch ein. Er forderte unisono mit Thomas Baum (SPD) mehr Aufklärungs- und Präventionsarbeit an Schulen. Tatsächlich seien vor drei, vier Jahren 15- und 16-Jährige in Schulen auf die Gefahr aufmerksam gemacht worden, so Torsten Pötzsch. Heute beginne die Aufklärung bei Elf- und Zwölfjährigen. Aber auch hier seien viel breitere und weitergehendere Maßnahmen erforderlich, wenn der Crystalkonsum eingedämmt werden soll, ergänzte Thomas Liebel und empfahl eindringlich, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die Schulbehörden für das Thema zu sensibilisieren. Ein Gramm Crystal sei ab 15 Euro in den Grenzregionen erhältlich. Bundesweit bezahle man dafür bis zu 79 Euro, so MdL Franziska Schubert (Grüne).

Was das Vorgehen gegen die Produzenten in Tschechien erschwere, sei der Umstand, dass die Inhaltsstoffe frei und bislang noch in großen Mengen erhältlich seien, so Michael Zimmer von der Zittauer Zollkontrolleinheit Verkehrswege. Zum Einsatz kommen unter anderem das Erkältungsmittel Ephedrin, Batteriesäure und Haushaltsreiniger. Polen will den Verkauf jedoch demnächst limitieren. In Deutschland sei das bereits der Fall, so Zimmer.

Der zeitliche und personelle Aufwand, einzelne Drogenküchen zu lokalisieren, sei hoch, berichtete Volker Huchel vom Zollfahndungsamt Dresden. „Wenn wir eine zumachen, machen zwei woanders auf.“ 1996 führte das Zollfahndungsamt im Raum Westerzgebirge erste Ermittlungsverfahren wegen der illegalen Einfuhr von Crystal durch. Bis 2010 blieben die Fallzahlen gering. Seitdem steigen die Zahlen fast exponentiell. 2014 wurden 13 Kilogramm beschlagnahmt. Nach Schätzungen werden in Tschechien zehn Tonnen der Droge jährlich produziert. Fünf davon für Deutschland. Als Täter werden überwiegend in Tschechien lebende Vietnamesen angesprochen. Es sind jedoch vor allem Deutsche, die die Drogen über die Grenze schmuggeln – in und am Körper, offen im Fahrzeug oder in Originalverpackungen von Lebensmitteln. Dieser „Ameisenverkehr“ werde ganz aktuell durch Strukturen der organisierten Kriminalität abgelöst. Dadurch breite sich die Modedroge von den Grenzregionen immer stärker in die Großstädte und die westlichen Bundesländer aus, so Thomas Liebel. Die Zollgewerkschaft fordert deshalb unter anderem eine erhöhte Kontrolldichte und eine bessere Strafverfolgung sowie die Neubeschaffung von Detektions- und Röntgentechnik. „Ohne Investitionen ist das allerdings nicht zu leisten. Jetzt ist die Politik am Zug.“