Auf der Anklagebank sitzt ein gebrochener, 52-jähriger Mann, dem man seinen jahrelangen Alkoholmissbrauch auch äußerlich ansieht, und der mit seinem Leben irgendwie abgeschlossen hat. "Es ist mir egal, zu wie viel Sie mich verurteilen, ob nun 12 oder 15 Jahre, das spielt für mich keine Rolle mehr", sagt er mehrfach zum Gericht.
Frank H. räumt in seiner Aussage ein, was ihm Oberstaatsanwalt Jörg Toschek vorgeworfen hat und woran es seit jener Tat am 12. Juni im Park am Haberkornplatz in Zittau nie einen Zweifel gegeben hat: Er hat seine Freundin im Streit auf der Parkbank sitzend mit einem großen Küchenmesser mit einer 20 Zentimeter langen Klinge zweimal in den Bauch gestochen. Als die 34-Jährige schreiend aufsprang und versuchte, zu fliehen, rannte er ihr hinterher und rammte ihr "das Messer mit voller Wucht und bis zum Griff in die Schulter", sagte er vor Gericht. Daraufhin, so schilderte er weiter, ging er in entgegengesetzter Richtung davon, ohne sich nochmal umzudrehen, versteckte sich am anderen Ende des Parks, trank seine letzte Flasche Bier, rauchte ein Zigarette, und rief dann seinen Vater und die Polizei an.
Der Polizei-Notruf wurde aufgezeichnet und im Gericht vorgespielt. Zu hören ist ein Mann, der erst relativ ruhig mitteilt, dass er eben seine Frau in Zittau niedergestochen habe, sich aber gleich stellen werde. Nach ein paar Nachfragen des Polizisten, wann und wo das geschehen sein soll, um vielleicht der Frau noch zu helfen, fängt der Anrufer an zu heulen und ruft immer wieder. "Ich hab das getan, weil sie mir fünf Jahre meines Leben geraubt hat!" Wenig später ging er zurück zum Tatort, wo er von der Polizei sofort verhaftet wurde.
Vor Gericht erzählt Frank H. über eine Stunde lang, wie es zu der Tat gekommen war. Er und seine Freundin hätten sich demnach im Dezember 2012 bei einer Entziehungsmaßnahme in Großschweidnitz kennengelernt, obwohl auch ihr Ehemann da war. Es sei daraus Liebe geworden, im Sommer 2014 seien beide aus der Therapie entlassen worden. Beide seien sofort zusammengezogen, auch wenn ein Pfleger ihm schon damals gesagt haben soll: "Allein haben sie eine Chance, aber mit dieser Frau das wird schlimm für sie beide enden." Das Dilemma begann laut Frank H. schon am ersten Tag nach der Entlassung. Obwohl sich beide geschworen hatten, die Finger vom Alkohol zu lassen, trank sie schon in der ersten Nacht wieder. Der Streit darüber machte so viel Lärm, dass die Polizei erschien. Nach einiger Zeit sei ihm wegen dieses Lärms die Wohnung gekündigt worden. Bei der nächsten Wohnung sei genau das Gleiche passiert, obwohl sie ihm immer wieder geschworen habe, dass jetzt Schluss mit Alkohol sei. Eine offene Bewährung gegen ihn sei widerrufen worden, er musste für acht Monate ins Gefängnis. In dieser Zeit habe sie ihn mehrfach besucht und ihm auch Geschenke im erlaubten Rahmen gemacht. Schließlich habe man dann in Niedercunnersdorf, später in Obercunnersdorf gewohnt, sei sie von ihm schwanger geworden. Im Februar 2017 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Er habe die Hoffnung gehabt, dass nun alles ins Lot komme. Es habe auch ein paar glückliche Tage gegeben, aber dann habe sie wieder zum Alkohol gegriffen. Es gab Schwierigkeiten, Jugendamt und Familienhilfe waren mehrfach da. Aber ihr Streit sei immer wieder eskaliert. Insbesondere nach dem Trinken von Alkohol. Auch er selbst sei wieder versackt. Das Kind, um das er sich nach seinen Worten viel gekümmert habe, sei zu einer Pflegefamilie geschafft worden, wiedergekommen und nach erneuten Eskalationen wieder in Obhut genommen worden. Er habe die andauernden Streitigkeiten, das Anschreien, die Beleidigungen auf der einen Seite und das ständige Auf-die Pelle-Rücken auf der anderen Seite kaum noch ausgehalten. Er habe seine Freundin mehrfach im Streit an den Haaren aus der Wohnung gezerrt und zweimal auch darüber nachgedacht, sie mit Tabletten zu vergiften, erklärt Frank H. vor Gericht. Warum er sich nicht getrennt habe? Er sei wegen seiner Tochter erpresst worden. Weil seine Freundin noch verheiratet gewesen und er nur der biologische Vater ohne Sorgerecht gewesen sei, hätte er Angst gehabt, seine Tochter dann nie wiederzusehen.
Am Tattag selbst seien die beiden dann auf dem Amtsgericht gewesen. Sie wollte das Erbe ihrer verstorbenen Mutter ausschlagen und war der Meinung, dass er für die gemeinsame Tochter mitunterschreiben müsse. Sie trank schon vor dem Termin Alkohol, er, der viel lieber zu Hause geblieben wäre, musste mit und wurde schließlich doch nicht gebraucht. Das alles brachte ihn auf die Palme. Nach dem Termin tranken beide, erst gemeinsam. Dann kaufte er mehrere Flaschen Bier und trank sie, während sie ihre Schwester wegen Geld anrief und sich mit einer anderen Frau traf. Auf seinem Handy kam schließlich die Aufforderung an, sich erneut zu treffen. Frank H. ging zum Treffpunkt, beide setzten sich auf die Parkbank und "sofort ging es wieder los, das Geschreie, die Beleidigungen", sagt er. "Ich wollte, dass sie endlich ruhig ist, habe mein Messer gezogen und zugestochen."
Das Gericht hört nun mehrere Zeugen zur Tat selbst, als auch zum sozialen Umfeld der beiden. Ein psychiatrisches und ein rechtsmedizinisches Gutachten werden noch vorgetragen. Die Verhandlung wird am 21. Dezember fortgesetzt. Dann könnte auch schon das Urteil fallen.