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Das „Alte Fährhaus“ lebt

Das wird alles noch schöner werden als vorher“, sagt Jochen Hesse und blickt auf das Laubegaster Ufer. Selbst jetzt, da über die Elbe ein sibirisch kalter Wind weht, liegt etwas Besonderes über diesem Stück Dresden, etwas Liebliches, Heiteres, nahezu Mediterranes.

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Von Jörg Marschner

Das wird alles noch schöner werden als vorher“, sagt Jochen Hesse und blickt auf das Laubegaster Ufer. Selbst jetzt, da über die Elbe ein sibirisch kalter Wind weht, liegt etwas Besonderes über diesem Stück Dresden, etwas Liebliches, Heiteres, nahezu Mediterranes.

Nur die Details passen gegenwärtig nicht dazu. Von den knapp 40 Häusern zwischen Schiffswerft und Tolkewitzer Elbwiesen sehen die meisten noch arg traurig aus: Einige zeigen sich nackt ohne Putz. Bei anderen stehen die Fenster weit offen. Es wird wohl Frühjahr werden, ehe nach dem Austrocknen alle Schäden überwunden sind und die Leute auch wieder ins Erdgeschoss ziehen können. Bis zur Normalität ist es also noch weit.

Jochen Hesse rechnet mit April nächsten Jahres. Wie dem Chef vom „Alten Fährhaus“/Restaurant und Pension die Flut mitgespielt hat, ist schon nahezu tragisch. Noch zu DDR-Zeiten war er 1987 klein ins Geschäft eingestiegen, hatte dann nach der Wende mit Kredit alles auf Vordermann gebracht und höchst erfolgreich gewirtschaftet. „Am 30. Juni diesen Jahres habe ich die letzte Rate vom Kredit abgezahlt und dann dieses Wasser“, sagt Hesse. Über zwei Meter hoch stand die Elbe in den drei Gebäuden aus den Jahren 1711 und 1733. Die romantischen Sandsteingewölbe alle überflutet, die elf Gästezimmer vernichtet. 400 000 Euro Gesamtschaden. 14 Tage hat Hesse „dumm getan“ und schon mal gedacht, ob es nicht das Beste wäre, alles hinzuhauen. Dann war er wieder der Alte. „Wir sind ’ne alte Schifferfamilie und haben das Fährhaus jetzt in der 5. Generation. Das kannst du einfach nicht aufgeben.“ Und außerdem sieht Hesse auch eine Verantwortung als Arbeitgeber für fünf Angestellte.

Die 15 000 Euro Soforthilfe sind verbraucht. Die Anträge auf Wiederaufbauhilfe laufen bei der SAB. Hesse geht das zu langsam. „Wenn du kein Geld hast, kannst du keine Aufträge erteilen“, sagt er. Seit 116 Tagen hat er keine Einnahmen mehr, nur noch Ausgaben. Und was für welche! Also will Hesse nicht warten bis April und setzt eine gute Idee in die Tat um: Aus einem Gästezimmer wird eine kleine Küche und aus dem daneben liegenden Büro ein neuer Gastraum mit rund 20 Plätzen. Der Jahrhunderte alte Sandstein der Wände, das Deckengewölbe und die rustikale Einrichtung werden keinen Eindruck von Notbehelf entstehen lassen. Vorgestern kam der Fußboden. „Mitte des Monats will ich öffnen“, sagt Jochen Hesse. Für den 20. Dezember hat er schon eine Bestellung.

In den Gewölben

steckt noch viel Wasser

Im „Gasthaus zum Elbthal“ hat das gastronomische Leben bereits vorigen Freitag wieder begonnen. „Ein wunderbares Gefühl“, sagt Antje Voigt. „Sogar ein Nikolaus war völlig unverhofft gekommen.“ Am Sonntag gab es dann schon die erste reservierte Familienfeier – „lief auch sehr gut“. Antje Voigt und ihr Lebensgefährte Frank Kraft sind sozusagen Existenzgründer. Erst 1997 hatten sie das Haus übernommen, es gründlich saniert und dann vor knapp drei Jahren das Gasthaus eröffnet. Nie hätten es die beiden für möglich gehalten, dass die Elbe bis ins Restaurant im ersten Stock vorstoßen könnte. 60 Zentimeter hoch stand dort am 18. August das Wasser. Jetzt können die Gäste, die an den großen Fenstern Platz finden, wieder den malerischen Blick elbauf- und -ab genießen (vorerst außer Dienstag und Mittwoch). Frank Kraft hofft, dass er die im Sandsteingewölbe des Erdgeschosses untergebrachte Eisdiele im Frühjahr wieder öffnen kann. Noch steckt viel Wasser im Stein.

So zieht in ein Haus nach dem anderen wieder pulsierendes Leben. Und es wird tatsächlich manches schöner als es war. Bärbel und Carsten Wiederhold können das mit vollem Recht von ihrer Bäckerei samt angeschlossenem Café sagen. Moderner und noch freundlicher ist alles geworden. Warm und hell strahlt in den finsteren Morgen- und Abendstunden das Licht aufs Laubegaster Ufer. Die Kunden haben zurück gefunden zu ihrer Bäckerei, und insofern ist alles wie vor der Flut. Für den Bäckermeister gilt das aber nicht, dazu bewegen ihn noch zu viele Probleme. Die Sächsische Aufbaubank hat zwar dem Widerspruch des Bäckermeisters stattgegeben und will nun nicht nur – wie ursprünglich festgelegt – Wiederaufbauhilfe für lediglich 39 Prozent des festgestellten Schadens leisten. „Die SAB war von falschen Zahlen ausgegangen und hat sich korrigiert“, sagt Carsten Wiederhold. Aber Geld hat er noch keins. „Wäre nicht die Bäckereigenossenschaft, die die neue Ausrüstung vorfinanzierte, so kulant, hätte ich jetzt große Schwierigkeiten.“