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Das doppelte Lomnitz

„Goldmarie und Pechmarie“ könnte das Märchen über zwei namensgleiche Schlösser in Polen heißen.

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Von Arndt Bretschneider

Schlösser und Märchen gehören zusammen wie Pech und Schwefel, Glück und Unglück. Genau davon soll dieser Beitrag erzählen. Es waren einmal – sagen wir vor siebzig Jahren – zwei Schlösser in zwei Dörfern, die beide Lomnitz hießen. Nach einem großen Krieg verloren Schlösser samt zugehörigem Land ihre angestammten Besitzer. Neue Eigentümer fanden sich nur widerwillig und erst, nachdem die Schlösser um ihr gesamtes Mobiliar erleichtert worden waren. Bis dahin gleichen sich die Fakten – im Lomnitz des Hirschberger Talkessels und im Lomnitz im Neißetal.

Das heutige £omnica im Bobertal, nahe Jelenia Góra (Hirschberg) lockt jetzt mit zwei durch Menschenhand und Menschenfleiß aus dem Dornröschenschlaf geweckten Schlösschen. Sie sind wunderbar saniert, das kleinere als Hotel und das größere als Museum mit Gutshof und Landschaftspark gut erhalten. Sie locken Touristen an und bringen das Marktleben in Schwung – denn hier finden regelmäßig Feste und Märkte statt. Elisabeth und Ulrich von Küster schufen beinahe so etwas wie „ein erlebbares Märchen“.

Ganz und gar anders erging und ergeht es Schloss Lomnitz, heute £omnica bei Osiek £u¿icky (Wendisch Ossig). Es liegt versteckt zwischen einer Güterbahnlinie, die von Sulików (Schönberg) durch das Neißetal bis in das Kraftwerk Turów führt und der Staatsstraße Zgorzelec – Turów – Bogatynia. Ein verlandeter Teich und ein ungepflegter Park samt Kastanienallee versperren jede Sicht auf das Anwesen, und der Weg in den weiträumigen Schlosshof ist wenig einladend.

Vom Gründungszeitpunkt her mögen die heute so unterschiedlichen Schlösser nicht weit auseinanderliegen. Das hiesige Lomnitzer Wasserschloss entstand, ersten Erwähnungen zufolge, gegen Ende des 14. Jahrhunderts. Es gehörte 1391 einem Görlitzer Stadtoberen mit Namen Peter von Grißlau, später bis 1420 dessen Sohn Heinrich. 300 Jahre lang gibt es keine Aufzeichnungen – oder aber sie gingen verloren. Im Jahre 1739 brannte das Renaissanceschloss fast völlig nieder, und Gutsherr Johann Georg von Seidel errichtete auf den Trümmern ein größeres Barockschloss. Der Grundriss war L-förmig mit nur einem Rundturm. Dieser Bau hatte über hundert Jahre Bestand und wurde im 19. Jahrhundert erneut erweitert und im neogotischen Stil mit einem zweiten Rundturm versehen. Der Haupteingang wurde nach der Nordseite verlegt und mit einem prächtigen Risalit geschmückt. Im Parterre befanden sich mächtige Kreuzgewölbe und die Säle waren mit Stuckelementen versehen. All diese Pracht kann heute bestenfalls noch ein Fachmann identifizieren. Den Besucher empfängt Finsternis, Müll und ein dumpfer Geruch. Trotzdem wohnen hier in einem der Seitenflügel noch sage und schreibe ein Dutzend Personen, vom Kinde bis zum Greis.

Dem Autor dieser Zeilen wurde bereitwillig Auskunft gegeben über die tristen Wohnverhältnisse. Man würde liebend gerne ausziehen und einem Investor Platz machen, wenn…! Ja, wenn dieser anderswo günstige, sprich billigste Wohnungen bereitstellen könnte. Ein solcher hat sich bislang aber nicht gefunden, obwohl schon einige inspizieren waren. Der weitläufige Gutshof mit Scheunen, Ställen und ehemalig gutseigener Schmiede macht noch den verwendbarsten Eindruck, versicherte mir ein Interessent aus den Altbundesländern beim zweiten Besuch. Derartige Gutshäuser finde man in Dolno Sl¹sk (Niederschlesien) zuhauf, winkte er resigniert ab. Nachfahren der letzten Schlossherrin, einer Baronin Maria von Schimmelpenning von der Oye, gab es nicht. Die herrische Dame wurde 1852 im eigenen Schlafzimmer von ihren gepeinigten Tagelöhnern erwürgt.

Bemerkenswert aber ist im 20. Jahrhundert, dass hier auf Lomnitz von 1923 bis 1945 der Kunstmaler Wilhelm Schulze-Rose wohnte. Schulze-Rose war in Dahme/Mark geboren, hatte in Königsberg, Dresden und Leipzig studiert. In Leipzig gründete er 1908 die Künstlervereinigung „Leipziger Sezession“ und später das „Landbuch bildender Künstler“.

Gemälde von ihm befinden sich in Galerien über ganz Deutschland verteilt. Sein bekanntestes Bild ist die Säerin aus dem Jahre 1926. Es ist später in vielen Lesebüchern und in der Erbauungsliteratur zu finden und zierte bis zur Einführung des Euro die französischen 50 Centimes sowie die Ein-, Zwei und Fünf-Francs-Münzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand Schulze-Rose bettelarm Unterkunft bei seiner Stieftochter in Schirgiswalde, wo er 1950 in großer Armut verstarb und auf dem katholischen Friedhof beigesetzt wurde.

Heute hat man in seiner Geburtsstadt Dahme einen Gedenkstein errichtet. Das Schloss, sein zeitweiliger Wohnsitz, verfällt indes weiter. Da es bewohnt ist, sind die Chancen, es zu erhalten aber besser als bei einem leeren Gebäude, sagen Denkmalschützer. Arne Franke, Berliner Schlossexperte und Buchautor, führt in solchen Zusammenhängen oft das andere Lomnitz vor Augen, das im Hirschberger Tal. Das war in den 1990er Jahren wirklich nur noch Ruine und konnte mit viel Engagement gerettet werden. Auch für £omnica bei Osiek £u¿icky gibt es also noch Hoffnung. (mit ihg)