Von Ines Mallek-Klein
Die Fahrt geht durch die schöne Sächsische Schweiz. Rechts, links und wieder rechts. Die letzten Meter werden zur Bewährungsprobe für die Stoßdämpfer. Mathias Roitzsch steigt aus dem Auto. Er weiß, wo in dieser Gegend die Orchideen blühen. Es sind die schönsten in der Region, vielleicht sogar von ganz Sachsen, sagt Mathias Roitzsch. Er muss es wissen als Mitarbeiter des Landschaftspflegeverbandes, der alljährlich die schönste Wiese der Region kürt. Die Wiese, die Mathias Roitzsch heute zeigt, hat den Preis bereits gewonnen. Das war 2008.


Der passionierte Naturschützer geht ein paar Meter voraus und verharrt dann plötzlich. Er hat nicht zuviel versprochen. Die violetten Blütenstände überragen zu Hunderten das Gras. Der Regen der letzten Tage und die Wärme haben dem breitblättrigen Knabenkraut gut getan. So etwas in der Vielzahl und Größe habe ich noch nie gesehen, sagt Mathias Roitzsch, und er kennt viele Wiesen. Der Besitzer des Paradieses steht neben ihm und lacht. Er hat das Land vor über zwanzig Jahren gekauft. Dass auf dem Grundstück ein Biotop ist, wusste ich gar nicht, sagt der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Zu viele könnten dann Rückschlüsse auf den Standort der Wiese ziehen. Doch der soll, der muss unbedingt geheim bleiben.
Die Schönheit wäre sonst in Gefahr, sagt Mathias Roitzsch. Ihm bereiten vor allem jene zweifelhaften Pflanzenfreunde Sorgen, die mit der Schaufel kommen. Ihre Spuren entdeckt der Wiesenbesitzer immer Ende August, wenn die jährliche Mahd mit der Sense ansteht. „Dann trete ich in handtellergroße Löcher. Die sind das Einzige, was von den ausgegrabenen Orchideen noch geblieben ist.“ Diese Umsiedlungsversuche sind erfolglos, weiß Mathias Roitzsch. Herausgerissen aus ihrem sonnigen, feuchten Biotop, werden die Orchideen verkümmern. Auf ihrer Wiese scheint es ihnen hingegen immer besser zu gefallen. Rund 2 000 Blütenstände hat der Biotopbesitzer beim Mähen im vorigen Jahr gezählt. Mittlerweile dürften neue Blüten dazugekommen sein. Die Orchideen verbreiten sich zumeist durch ihren Samen. Damit der ausfallen kann, lässt der Wiesenbesitzer die Blüten erst richtig austrocknen. Dann kommen die Sense und die eigentliche Heutrocknung. Dabei fällt der Samen, der nicht größer ist als ein Staubkorn, auf den Boden und hat die Chance, neu auszukeimen. Experten des Sachsenforsts haben dabei vor Jahren ein Experiment gewagt. Sie nahmen Blütenstände mit und haben die Samen auf einer anderen Wiese mit ähnlichen Standortfaktoren ausgebracht. Mit einem niederschmetternden Ergebnis: Dort steht bis heute kein einziges Knabenkraut.
Der Biotopbesitzer ist dennoch zuversichtlich. Er selbst weiß am besten, dass man der Natur Zeit geben muss. Als er das Biotop kaufte, wuchsen hier Büsche und Bäume. Schritt für Schritt hat er die Fläche bearbeitet. Die Wiese bekam Luft und Licht. Und so kamen sie zurück, die Gräser, Kräuter und schließlich auch die Orchideen. Es ist ein gelungenes Beispiel für die Rettung des Biotops. Doch das gelingt selten. Wiesen haben es heute nicht leicht. Die einen werden übernutzt und sind Teil des landwirtschaftlichen Kreislaufs. Die anderen verwildern.
Dem will der Landschaftspflegeverband entgegenwirken und hat deshalb auch das Bergwiesenfest ins Leben gerufen. Es findet in diesem Jahr am 21. September auf der Südseite des Liliensteins statt. Dann werden auch die Besitzer der schönsten Bergwiese 2014 bekannt gegeben, verrät Mathias Roitzsch und hält plötzlich inne. Er bückt sich und deutet auf zwei unscheinbare Blätter. Auch das ist eine Orchidee. Das Große Zweiblatt hat grüne Blätter, grüne Knospen und grüne Blüten. Nur etwas erfahrenere Orchideenkenner werden auf die langen, zum Himmel emporgereckten Blütenstände aufmerksam.
Für Mathias Roitzsch ist die Bergwiese ein schönes Beispiel dafür, dass die Flora in unserer Region viel zu bieten hat. Die eine Blüte schillert, die andere ist eher unauffällig. Und manchmal ist es besser, sie bleiben einfach unentdeckt.