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Das geheimnisvolle Gasthaus

Geister, Gastro und Gesang. Die Betreiber des Waldschlösschens lieben die Inszenierung – und hatten schon öfter mit ganz realen Problemen zu kämpfen.

Von Daniel Krüger
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Hier passen Besitzer und Gebäude zusammen: Das Waldschlösschen in Meißen liegt zentral – und doch hinter großen Bäumen versteckt.
Hier passen Besitzer und Gebäude zusammen: Das Waldschlösschen in Meißen liegt zentral – und doch hinter großen Bäumen versteckt. © Claudia Hübschmann

Meißen. Butter ist mein Name. Wie die Margarine“, ruft die Frau mit dem bunten Schal und dem blonden Zopf und lacht dabei laut, die Augen groß aufgerissen. Ein Foto von sich? Niemals, sie singe ja schon jeden Sonntag beim Brunch, das müsse reichen. Überhaupt sei sie gar nicht verkleidet und Privates behalte sie lieber für sich.

Wir stehen im Herzstück des Waldschlösschens am Plossenaufgang, einer 1894 erbauten Villa, die zu DDR-Zeiten als Kindergarten genutzt und in der bis 2012 Gäste von jungen Auszubildenden bekocht wurden. Dann verließ der vorige Betreiber, ein gemeinnütziger Verein, das Objekt, neue Eigentümer kamen. Über Privates wollen sie nicht sprechen, auch Fotografien haben sie äußerst ungern, die Presse sei doch nicht wichtig, sagt Frau Butter.

In Meißen kennt man Butter, die nach eigenen Angaben mit richtigem Nachnamen Weichelt heißt, seit der Übernahme als die „singende Wirtin“. Für die neue Existenz in der Stadt, die sie zusammen mit ihrem langjährigen Geschäftspartner Dieter Graebsch, ihrem Sohn und ihrer Tante aufgebaut hat, musste die Sängerin hart kämpfen. „Wir sind zum Glück ein Familienbetrieb und halten fest zusammen“, sagt Weichelt. 

Am Anfang sei es sehr müßig gewesen, das erste Jahr lief nur schleppend. „Viele Leute kannten uns gar nicht. Auch heute kommen noch oft Einheimische, die gar nicht wissen, dass das Waldschlösschen bewirtschaftet wird. Dafür erinnern sich dann immer wieder ältere Gäste, dass sie genau hier immer im Kindergarten gespielt haben“, erzählt sie mit einem Lächeln.

Vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war im heutigen Gebäude das sogenannte Bürgerhaus beheimatet, Konzerte wurden gespielt, rundherum lud der Meißner Stadtpark zum Flanieren ein. Diese kulturelle Tradition möchte Weichelt wieder aufleben lassen – ein Konzept, das aufgeht. Die Frau, die Organisator Graebsch als „immer so kreativ“ beschreibt, dekoriert für die Hochzeiten, die jedes Wochenende im opulenten Schlosssaal stattfinden, tritt auf den privaten Feiern der Gäste als Sängerin auf und schreibt selbst Theaterstücke, die sie dann mit wechselnden Ensembles auf der hauseigenen mobilen Bühne zum Besten gibt. Auch das regelmäßige Krimidinner zieht die Besucher an.

„Ein Dinner in the Dark machen wir hier aber nicht. Man will ja bei seinem Auftritt schließlich auch gesehen werden“, sagt Weichelt schmunzelnd. Für eine gruselige Atmosphäre sorge schon die alte Villa mit ihren vielen verworrenen Gängen. „Am Anfang kam es mir vor wie ein Labyrinth, ich habe mich ständig verlaufen“, erzählt Weichelt. Mittlerweile schaffen Graebsch und sie den Aufstieg aufs Dach aber ohne langes Überlegen. Oben unter freiem Himmel führt eine Holztreppe zum Turmzimmer der Villa. Viele Firmen, die das Waldschlösschen für Tagungen mieten, lassen einen Konferenztag bei einem Glas Wein mit dem Blick auf das Panorama der Altstadt ausklingen.

Was sie nicht wissen: Weichelt engagiert regelmäßig Schauspieler, die sich im Turmzimmer verstecken und den Poltergeist des Hauses spielen. Dann rumpelt es während einer Veranstaltung plötzlich unten in der Weinstube. „Ein Heidenspaß“, wie Weichelt findet. Das Faible für eine gewisse Portion Horror erkennt man bei einem Blick in das kleine Zimmerchen, hier steht ein Skelett, eine Gruselpuppe und diverse Halloweendeko vervollständigen das Bild.

Ganz und gar real sind hingegen die Herausforderungen für die Betreiber. 2014 flutete das Hochwasser den Keller, der bis heute nur bedingt nutzbar ist. Sturm Friederike fällte 2018 einen Baum, der in die Eingangsmauer krachte und ganz aktuell beschädigte Eberhard das Dach an vielen Stellen. Gleichzeitig mangelt es an Personal. Obwohl die ganze Familie anpackt, sind die Chefs regelmäßig auf Aushilfsköche und Kellner angewiesen. 

Weil das Waldschlösschen ein Eventbetrieb und kein A-la-carte-Restaurant ist, kann Anna Weichelt keine Mitarbeiter fest anstellen. „Man hat manchmal den Eindruck, dass niemand mehr in der Gastronomie tätig sein möchte“, sagt Dieter Graebsch, während er frisch gekochten Kaffee auf den Tisch stellt. Auch mehrere Flüchtlinge arbeiten bei Veranstaltungen im Waldschlösschen. „Einer unserer Kellner ist Syrer, wahnsinnig zuverlässig und schnell, diese Leute braucht die Branche langfristig“, erzählt Graebsch.

Für die Unterstützung sind die Betreiber dankbar, denn auch wenn unter der Woche noch mehr Buchungen zu verkraften wären, wie sie zugeben: Das Waldschlösschen hat sich etabliert, online und im Gästebuch wird vor allem der persönliche Service gelobt. Und der liegt Anna Weichelt sehr am Herzen, genauso wie das Theater. „Wir suchen zurzeit noch Schauspieler für ein neues Stück“, sagt sie. Worum es geht: auch um August den Starken. Alles andere bleibt vorerst Weichelts Geheimnis. Wie so vieles.