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Das Gewandhaus ist noch zu retten

Seit 190 Jahren steht das Gebäude am Löbauer Theaterplatz. Der Zahn der Zeit nagt gewaltig daran, doch es gibt Hoffnung.

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© Matthias Weber

Von Gabriel Wandt

Löbau. Das Gebäude sieht von innen nicht viel besser aus als von außen – und doch ist auf den ersten Blick zu erkennen, dass das Löbauer Gewandhaus seit über 20 Jahren weitgehend ungenutzt herumsteht. Zu Zeiten der Jugendtheatertage sind die Räume noch genutzt worden, dass hier nach der Wende noch ein An- und Verkauf Unterschlupf gefunden hatte, lässt sich am Eingangsportal immer noch erkennen.

Innen hingegen ist von den vielfältigen Nutzungen, die das Gebäude in den vergangenen 190 Jahren erlebt hat, nicht mehr viel zu sehen. Im Treppenhaus ist eine Dekoration aus DDR-Zeiten noch gut erhalten, ansonsten sind in der Vergangenheit schon einmal etliche Zwischenwände entfernt worden, sodass die Etagen sehr luftig wirken. Überall, speziell unterm Dach, sind die Auswirkungen des Leerstands zu erkennen – auch wenn das Dach zumindest auf der Südseite schon mal erneuert wurde.

Und doch: Die architektonischen Besonderheiten, aufwendig gearbeitete Türen, das interessante Zwischengeschoss und andere Dinge haben überdauert – und verstärken das Bedauern, dass sich für dieses Gebäude immer noch kein Investor gefunden hat.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Löbauer es schon vor rund 200 Jahren nicht ganz einfach hatten, sich zum Bau dieses Gebäudes zu entschließen. Um in diese Historie einzutauchen, lohnt ein Gang ins Archiv. Stadtarchivar Jürgen Görner erinnert daran, dass an dieser Stelle zuvor eine Kapelle gestanden hat, die sowohl als St. Annen- als auch als Katharinenkapelle bezeichnet wurde. Sie könnte zum Kloster gehört haben, doch genau bekannt ist das nicht.

Als vor rund 200 Jahren die Gedanken eines Neubaus in diesem Bereich konkret wurden, war von der Kapelle aber nicht mehr viel übrig. Und so fiel die Entscheidung, hier für die wachsende Stadt ein Mehrzweckgebäude zu errichten. Das wurde gut vorbereitet und viel diskutiert. Etliche Entwürfe für solch ein Gebäude finden sich im Archiv, der städtische Bauzeichner Carl Gottlieb Lippert hat gleich mehrere angefertigt. Als eine Art städtisches Kaufhaus war es gedacht, es sollte Veranstaltungen und auch den Soldaten Platz bieten. Die mussten damals bei schlechtem Wetter auf dem Rathausboden exerzieren. So ist es überliefert.

Bis es am südlichen Teil der alten Stadtmauer tatsächlich zum Baustart kam, vergingen mehrere Jahre. Die erhaltenen Bauzeichnungen sind Anfang der 1820er Jahre entstanden. Das Haus wurde schließlich 1825 gebaut. Der Platz hieß damals noch Topfmarkt, eben weil dorthin die Händler mit Töpfen und Krügen kamen.

Aus den folgenden Jahren finden sich im Stadtarchiv immer wieder Hinweise darauf, dass das Gebäude gut genutzt worden ist. Nach der Eröffnung melden sich Künstler bei der Stadt, die die Räume für ihre Vorführungen nutzen wollen. Bei einer Auktion wird Meißner Porzellan versteigert. Als Magazin für Tuchmacher wird es genutzt – und schnell bürgerte sich der Name Gewandhaus ein. Der vor einiger Zeit in Löbau wiederentdeckte Kantor Klose gibt in den 1830er Jahren Konzerte mit teils selbst komponierten Werken, aber auch mit Haydns Oratorium „Die Jahreszeiten“, das in Löbau erst jüngst zum Landeserntedankfest wieder zu hören war. 1844 wird dort mit Flachs gehandelt, 20 Jahre später ist ein Pferde- und Militärmagazin untergebracht. In den Kriegsjahren 1866/67 dient es als Lebensmittelmagazin fürs Militär. Bis 1874 wird das Gewandhaus für Theateraufführungen genutzt: Sänger und Schauspieler treten auf, der Turnverein oder Circusse zeigen ihre Darbietungen. 1902 wurde ein Museum eingerichtet, das heute als Vorläufer des Stadtmuseums gelten kann, bis 1928 finden Kino-Vorführungen statt.

Dann kommt das Haus in seine erste große Krise. Für das Jahr 1928 findet sich im Archiv eine Ausschreibung, in der Firmen Angebote zum Abriss des Gewandhauses einreichen sollen. Der Grund: Die heutige Brücke der Jugend, damals Hindenburgbrücke, ist fertig. Damaligen Plänen für die Straßenführung steht das Haus schlicht im Weg. Deswegen wird diskutiert, ob das Gewandhaus noch benötigt wird. Doch es bleibt stehen, die Straße wird daran vorbeigeführt. 1946 ist für das Gebäude eine Nähstube dokumentiert, 1952 zieht schließlich die DDR-Handelsorganisation HO ein – und bleibt dort bis zur politischen Wende.

Dann beginnt die zweite große Krise des Gebäudes. Anfang der 1990er Jahre werden viele Überlegungen angestellt: Wie lässt sich das Haus sinnvoll nutzen? Mehrere Szenarien werden durchgespielt: Die Bibliothek könnte hier einziehen, das Stadtarchiv – doch die nötigen Umbauten waren zu teuer, es wurden andere Quartiere gefunden. Der An- und Verkauf blieb einige Zeit, aber er ist die bislang letzte regelmäßige Nutzung für das Gebäude. Von 2000 bis 2010 wird es einmal im Jahr als Aufführungsort der Jugendtheatertage genutzt, dann schläft auch dies ein. 2008 ist noch einmal in größerem Umfang um eine Nutzung verhandelt worden, seither dringt wenig an die Öffentlichkeit. Dass sich in absehbarer Zeit etwas tut, scheint dennoch nicht völlig ausgeschlossen. Das Gebäude sei keineswegs vergessen, ist aus der Stadtverwaltung zu hören. Offenbar gibt es immer wieder einmal Gespräche, die sich um die Zukunft des Gewandhauses drehen.

Fragen zur Stadtgeschichte beantwortet Jürgen Görner dienstagnachmittags beim Archivtreff.