SZ +
Merken

Das große Baggern

Das Hochwasser beschädigte in Reichstädt etliche Brücken. Manche sind nicht mehr zu retten.

Teilen
Folgen

Von Mandy Schaks

Die Reichstädter buddeln wie die Maulwürfe. Alles muss aus dem Dorfbach raus – Treibgut, Gesteinsbrocken, entwurzelte Bäume. Schleunigst! Noch am Sonntag, als das unscheinbare Bächlein urplötzlich grimmig wurde und durch den Ort tobte, versuchten Anwohner und Einsatzkräfte, schnell alles Sperrige aus dem Wasser zu ziehen.

Am Montag waren die Aufräumarbeiten in Reichstädt längst im Gange, da strotzte der Dorfbach immer noch vor Kraft. Foto: Robert Michael
Am Montag waren die Aufräumarbeiten in Reichstädt längst im Gange, da strotzte der Dorfbach immer noch vor Kraft. Foto: Robert Michael © Robert Michael

Denn es gab noch am selben Tag Warnungen vor einer zweiten Gewitterzelle, berichtet der Dippser Stadtwehrleiter Michael Ebert. „Zum Glück kam die nicht“, sagt er. Doch die Reichstädter können nicht darauf vertrauen, dass das so bleibt. Deshalb macht der Feuerwehrchef seit Sonntag Druck, um den Bachlauf freizubekommen und mögliche neue Gefahren abzuwenden.

Aber das bringt neue Probleme und wird die Dippser noch einmal enorm herausfordern. Das ließ Oberbürgermeister Ralf Kerndt (Freie Wähler) bereits am Montag bei einer ersten Einschätzung anklingen. „Wir haben glücklicherweise keine wesentlichen Personenschäden zu beklagen“, sagt er. „Aber die Schäden an der Infrastruktur sind enorm.“ Etwa 700 Reich-städter – das sind etwa drei Viertel der Einwohner in dem Dippser Ortsteil – wurden laut Kerndt vom Hochwasser getroffen, zum Teil sehr schwer. Der Dorfbach hatte sich in Keller und Garagen breitgemacht, Wohnungen und Gärten überschwemmt, Firmen verwüstet. Die außergewöhnlichen Wassermassen zerstörten aber auch in weiten Teilen das Verkehrsnetz. Der Dorfbach schluckte Straßenränder, zerstörte Stützmauern sowie Übergänge für Fußgänger und Fahrzeuge.

Reichstädt – das war vielen Dippsern bis zu diesem verhängnisvollen Sonntag nicht bewusst – ist nicht nur eines der längsten Dörfer in Sachsen und zieht sich aus Richtung Dipps bergauf über rund sieben Kilometer bis hoch zur Windmühle. Die Flut offenbarte: Reichstädt ist auch ein Brückendorf. Es gibt unzählige Bachquerungen – Brücken, Mini-Brücken und Brük-kelchen für den kurzen Weg vom Grundstück zur Straße. Wie viele es genau sind, vermochte selbst der Oberbürgermeister nach dem Schock der Flutereignisse nicht auf Anhieb zu sagen. Schätzungsweise sollen es über 20 Stück sein. Die Bilanz ist ernüchternd: „Fast alle Brücken sind angeschlagen“, sagt Kerndt. Wie schwer sie vom Wasser geschädigt wurden, sollen jetzt Spezialisten herausfinden. Für einige Bauwerke gab es von vornherein keine Rettung mehr. Sie waren so zerstört, dass nur noch der Abriss blieb.

Die Stadtverwaltung setzte deshalb in den ersten Tagen nach dem Hochwasser alles daran, diese Gefahrenpunkte zu beseitigen und die vom Verkehrsnetz abgeschnittenen Grundstücke schnellstmöglich zumindest erst einmal provisorisch wieder zugänglich zu machen. Und es soll inzwischen auch gesichert sein, dass in einem Notfall Rettungsfahrzeuge wieder alle Grundstücke erreichen können.

Wie es mit den Brücken in Reichstädt weitergeht, ist derzeit offen. Bevor der Wiederaufbau beginnt, werden sich Ortschaftsrat und Stadtverwaltung vermutlich eine Denkpause gönnen. Denn das Hochwasser machte Schwächen deutlich. Etliche Brücken wurden mit Treibgut zugestopft, dabei zerstört bzw. einige von den Fluten mitgerissen. Feuerwehrchef Michael Ebert rät dringend davon ab, alles wieder so zu machen, wie es einmal war und „dass sich jeder sein Brückelchen baut“.

Auch der Oberbürgermeister hat schon Schlüsse aus den dramatischen Ereignissen gezogen. Die Stadt werde künftig stärker darauf achten, dass Ablagerungen im Uferbereich unterbleiben, sagt Kerndt. Holzstapel und Baumaterialien beispielsweise, die zu nah am Dorfbach lagerten, wurden am Sonntag weggespült und damit zu zusätzlichen Hindernissen. Vermutlich hat mancher gedacht, dass sich das Bächlein niemals so weit aus seinem Bett herauswagen würde.