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Das „Hirtenhäusel“ ist gerettet

Im Oberland gibt es so manchen Kulturschatz, Kleinod und Raritäten zu entdecken. Die SZ hat sich auf ihre Spur begeben. Wir stellen sie Ihnen auf der Oberlandseite vor. Heute: Das „Hirtenhäusel“. Auf dem über 100 Jahre alten Gemälde ist das vermutlich älteste Haus Neugersdorfs abgebildet, das 1961 abgerissen wurde.

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Von Holger Gutte

Ein Kulturschatz des Oberlandes ist gerettet. Etwa eine Woche hat der Neugersdorfer Jürgen Steinfeld das Gemälde vom „Hirtenhäusel“ restauriert. Nach der Maltechnik zu urteilen, muss es über 100 Jahre alt sein. „Es war schon ganz schön beschädigt“, sagt der 45-jährige Schriften und Plakate-Maler. Über das ganze Bild zog sich ein Riss. Zudem war irgendwann einmal der Rahmen lackiert worden. Dabei wurde allerdings der Rand des Aquarells gleich mit übertüncht. „Ich habe auch viel spachteln müssen“, erinnert sich Jürgen Steinfeld.

Jetzt sieht es jedenfalls wieder fantastisch aus. Es ist die Zierde und der Blickfang im Arbeitsszimmer von Michael Kalauch. Dem Werkleiter von Heytex Neugersdorf ist es zu verdanken, dass das Gemälde restauriert wurde. Die Stadt hätte dafür kein Geld gehabt.

Als nach der Wende das damalige Textil- und Veredlungswerk still gelegt und teilweise ausgeräumt wurde, wäre das Gemälde fast mit Bauschutt in den Abfallcontainer gelandet. Zum Glück, sagt Michael Kalauch, haben ein paar Leute damals gut reagiert und nicht alles blindlings weggeworfen. „Wir haben das Bild dann der Stadt zum Aufbewahren ins Museumsdepot gegeben.“

Dort würde es wohl noch Jahre stehen, wenn sich Heytex nicht darauf besonnen hätte. Und das hat auch einen Grund: Denn das „Hirtenhäusel“ gehört irgendwie zum traditionellen Firmenstandort. Es hing schon vor dem Krieg im damaligen Betrieb von Hermann Herzog, danach im Treppenaufgang vom Werk 1 und jetzt im Büro des Werkleiters von Heytex.

„Leider ist das Bild nicht signiert, so dass auch der Maler unbekannt ist“, sagt er. Und nicht nur über das Gemälde, sondern auch über das Hirtenhäusel selbst ist wenig bekannt. Gunter Byhan vom Neugersdorfer Museumsverein hat sich nach der Wende mal die Mühe gemacht und einiges zur Geschichte des Hauses in Erfahrung gebracht. Wie alt und ob es wirklich das älteste Haus der Oberlandstadt ist, kann aber auch er nicht genau sagen.

Erstmals ist es 1898 in Bauakten eines Wohnhauses in Altgersdorf für einen Einbau eines Schornsteines erwähnt worden. Das Hirtenhäusel stand in der Nähe der Landesgrenze und soll nach dem Krieg in städtisches Eigentum übergegangen sein.

Damit war das Schicksal des Hirtenhäusels vorbestimmt. Nach einem Gutachten eines Bausachverständigen vom 13. April 1950 ist das eingeschossige und nicht unterkellerte Einfamilienhaus über 200 Jahre alt. Trotz des hohen Alters wurde der damalige Bauzustand des Hauses als nicht schlecht eingeschätzt. Der Gutachter schrieb damals sogar, dass es bei der gegenwärtigen Wohnungssituation unverständlich sei, das Haus abzureisen. Zumal der denkmalschützerische Wert des Gebäudes bekannt war.

1959 wurde der Abriss des Hauses genehmigt

Das Hirtenhäusel ist das letzte Gebäude mit einem so genannten Schobendach in Neugersdorf gewesen. Und früher hat es in Altgersdorf viele mit Stroh gedeckte Häuser gegeben. Trotzdem genehmigte im Januar 1959 das Institut für Denkmalpflege in Dresden den Abriss des Hirtenhäusels. Zwei Jahre später begannen am 16. März die Abbrucharbeiten. Am 29. März war vom Hirtenhäusel nichts mehr zu sehen. Trotzdem ist es seitdem oft gemalt worden.

Der Museumsverein der Stadt versucht so viel wie möglich über die Geschichte der Stadt in Erfahrung zu bringen. Für den Einblick in alte Dokumente, Fotos, Baupläne oder ähnliches sind die Mitglieder jederzeit dankbar. Der Verein ist erreichbar unter 03586/...........

ZITAT

„Es war schon ganz schön beschädigt. Über das ganze Bild zog sich ein Riss.“

JÜRGEN STEINFELD, Restaurator