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Das ist das Geheimnis des Horkaer Brots

Bäcker Armin Hübner verwendet 7 000 Jahre alte Getreidesorte. Einst kam sie aus dem Orient.

Von Frank-Uwe Michel
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Bis maximal 2,40 Meter hoch kann der Waldstaudenroggen werden. Das erste Mal bäckt Armin Hübner mit dem Urgetreide Ende August.
Bis maximal 2,40 Meter hoch kann der Waldstaudenroggen werden. Das erste Mal bäckt Armin Hübner mit dem Urgetreide Ende August. ©  André Schulze

Armin Hübner ist ein Freund des guten Geschmacks. Bei ihm als Bäcker müssen natürlich vor allem Brot und Brötchen das gewisse Etwas haben. Seit 2015, findet er, kommen Kunden bei ihm da voll auf ihre Kosten. Champagnerroggen heißt das Zauberwort.

Beim Reden ist es selbstverständlich nicht geblieben. Inzwischen werden sämtliche Roggenprodukte beim Hübner-Bäcker aus dieser alten Sorte hergestellt. In Kürze setzt der 39-Jährige diesem Geschmackserlebnis noch die Krone auf: Ende August hält erstmals eine andere, noch ältere Roggenart Einzug in die Horkaer Backstube: Waldstaudenroggen. Nach einer Definition der Initiative Urgetreide ist dies eine rund 7 000 Jahre alte Getreidesorte, die ursprünglich aus dem vorderen Orient stammte und als Unkraut auf Weizenfeldern wuchs. Durch Züchtungen sei der Urroggen fast in Vergessenheit geraten. Heute jedoch gewinne die anspruchslose, frostunempfindliche Getreideart vor allem auf kargen Böden wieder an Bedeutung, meinen die Experten.

Mehr Ballaststoffe im Brot

Die soll sie auch in den Broten und Brötchen der Bäckerei Hübner bekommen. „Wir haben in den vergangenen Jahren mit dem Champagnerroggen viel ausprobiert und sind mit den Ergebnissen absolut zufrieden“, erklärt der Chef. In der Backstube dufte es wieder wie in längst vergangenen Zeiten. Und auch die Kundenresonanz spreche eindeutig dafür. Der Waldstaudenroggen bringe künftig noch eine besondere ernährungsphysiologische Komponente mit ein. „Er erhöht den Schalenanteil und bringt damit mehr Ballaststoffe hinein.“ Weil der spezielle Roggen im Vergleich zum herkömmlichen Hybridroggen aber nur einen vergleichsweise niedrigen Ertrag ergebe, werde er in Brot und Brötchen zuerst als Vollkornkomponente eingesetzt. „Perspektivisch wollen wir ein Roggenbrot backen, dass aus 100 Prozent Waldstaudenroggen besteht“, freut sich Armin Hübner schon auf seine künftige Kreation.

Anbauen lässt der Horkaer Bäcker seinen Urroggen von René Löhnert, der in Zockau bei Bautzen einen Landwirtschaftsbetrieb betreibt. Auch er sammelt in diesem Jahr erstmals Erfahrungen mit dem speziellen Getreide. Ein paar Unterschiede zum „normalen“ Roggen hat er aber schon festgestellt: „Die Urform stellt keine großen Ansprüche. Sie ist mit leichten Böden zufrieden und kommt auch mit geringem Wasseraufkommen – wie in diesem Jahr – gut zurecht.“ Durch ihre enorme Höhe – Löhnert rechnet auf seinem Feld mit bis zu 2,20 Meter hohen Pflanzen – sei der Roggen zudem weniger krankheitsanfällig. „In den heute üblichen Roggenfeldern fallen die Regentropfen auf den Boden und wirbeln dabei Pilzsporen auf, die der Ähre zu schaffen machen können. Bis in die Höhe des Waldstaudenroggens schaffen es die Erreger aber nicht.“ Insgesamt garantiere dieses Wachstum eine sehr hohe Qualität. Allerdings müsse man auch mit einer Einschränkung leben. „Die Körner sind wesentlich kleiner. Der Ertrag im Vergleich zu heute üblichen Sorten ist deshalb nur etwa halb so groß.“ Darum lohne sich Massenanbau nicht, auch wenn die Nachfrage nach ökologisch hergestellten Produkten von Jahr zu Jahr gestiegen sei. René Löhnert vermutet: „Bis auf Weiteres wird der Urroggen wohl ein Nischenprodukt bleiben. Für uns kommt nur Vertragsanbau infrage, wie wir das jetzt für die Bäckerei Hübner machen.“

Viel mehr Stroh als sonst üblich

Wenn das Wetter hält – und danach sieht es aus – rückt der Mähdrescher in drei, vier Tagen auf dem besonderen Roggenfeld des Zockauer Landwirts an. Dann erst wird es genaue Erkenntnisse geben – über Korngröße, Ertrag und auch die Menge des zu erwartenden Strohs. „Die wird nach unseren Vermutungen beträchtlich sein, weil die Halme ja viel länger sind als sonst“, sagt Löhnert. In Dürrejahren mit knappem Strohbestand könne das durchaus hilfreich sein. „Was aber machen wir, wenn die Bauern überall genug davon haben?“ Auch dies müsse man beim Gesamtpaket Waldstaudenroggen mit bedenken.

Armin Hübner freut sich schon auf die neuerliche Geschmacksrevolution. Die soll aber wahrscheinlich nicht die letzte bleiben. „Beim Roggen sind wir mit der jetzigen Aktion dann durch. Aber wir arbeiten ja schon viel mit Dinkel und Emmer.“ Letzteres zählt ebenfalls zu den Urgetreiden und stammt aus der Weizenfamilie, besitzt kaum Gluten, aber eine bessere Bekömmlichkeit. „Möglicherweise“, sinniert der Horkaer Bäckermeister, „machen wir generell noch was im Weizenbereich.“ Aber da sei man momentan noch am Testen.

Die Preise für Produkte mit Waldstaudenroggen werden übrigens noch kalkuliert. Nur soviel steht schon fest: „Den Aufwand, den wir hier betreiben, können wir gar nicht komplett an die Kunden weitergeben.“ Schon beim Champagnerroggen betrügen die Mehrkosten rund 80 Prozent. Wobei der Materialeinsatz nicht das Entscheidende sei. „Wir werden Preise machen, die man sich auch leisten kann“, sagt Hübner, bei dem sowieso das Geschmackserlebnis im Vordergrund steht.

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