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Das kostet der Stromausfall von Riesa

20.000 Haushalte stundenlang ohne Strom - das hat es seit Jahrzehnten nicht gegeben. Der Stadtwerke-Chef erklärt, was das für Folgen hat.

Von Christoph Scharf
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Im Umspannwerk Nord in Riesa-Gröba war es am 18. Mai zu einer folgenschweren Havarie gekommen.
Im Umspannwerk Nord in Riesa-Gröba war es am 18. Mai zu einer folgenschweren Havarie gekommen. © Sebastian Schultz

Riesa. Die Reparaturen laufen auch mehr als zwei Wochen nach dem großen Stromausfall noch. Und auch die Untersuchungen zur Ursache des Zwischenfalls in einem Umspannwerk, der sämtliche Riesaer Haushalte für mehrere Stunden von der Stromversorgung abschnitt. "Damit wurde ein spezialisiertes Ingenieurbüro beauftragt, das auch den Zustand der Anlagen vor der Havarie kennt", sagt René Röthig, Geschäftsführer der Stadtwerke Riesa.

Nach einer ersten Prüfung sei aber davon auszugehen, dass kein Verschulden der Stadtwerke vorliege, so Röthig. Dem städtischen Unternehmen gehören die Anlagen, wo am Abend des 18. Mai ein sogenannter Störlichtbogen entstanden war.

Für die Wartung allerdings seien nicht die Stadtwerke, sondern der Energieversorger Enso zuständig: Dem gehört das Umspannwerk Nord am Riesaer Stadtrand, wo der 110.000-Volt-Strom aus den Überlandleitungen ankommt und auf 20.000 Volt Mittelspannung für die Stadtwerke transformiert wird. Theoretisch wäre für den einen Teil der Anlagen die Enso zuständig, für den anderen Teil die Stadtwerke. Praktisch lässt sich die Wartung der Anlagen aber kaum trennen. "Und weil unsere Mitarbeiter gar keine Schaltberechtigung für 110.000-Volt-Anlagen haben, lassen wir unsere Anlagen per Vertrag ebenfalls von der Enso warten", sagt Röthig. "So ist die Betreuung in einer Hand."

Letzte Wartung erst im Februar

Die letzte reguläre Wartung des betreffenden Bauteils sei erst im Februar 2020 gewesen, also drei Monate vor dem Zwischenfall. Was den Störlichtbogen ausgelöst hat, der die Stromversorgung lahmlegte, ist immer noch unklar. Denkbar in solchen Fällen wäre irgendeine Art von Tier, aber auch Materialermüdung. "Das wird noch untersucht."

Absehen lässt sich dagegen schon die Schadenshöhe, die an den Anlagen der Stadtwerke entstanden ist: Sie liegt bei etwa 50.000 Euro. Deutlich höher sind die Schadensanmeldungen, die vom Stromausfall betroffene Kunden bei den Stadtwerken eingereicht haben. Sie liegen schon jetzt im sechsstelligem Euro-Bereich. Kein Wunder: Zählen die Stadtwerke doch auch eine ganze Reihe von Unternehmen zu den Kunden, die durch den Blackout Produktionsausfälle hinnehmen mussten - etwa die Teigwaren Riesa, das Reifenwerk Neways. Auch das Stahlwerk war trotz eines eigenen Umspannwerks mittelbar betroffen - weil eine Pumpenanlage für die Dampftrasse am städtischen Netz hing und damit ausfiel.

René Röthig ist Geschäftsführer der Stadt-Tochter Stadtwerke Riesa.
René Röthig ist Geschäftsführer der Stadt-Tochter Stadtwerke Riesa. © SWR

"Wir reichen die Schadensanmeldungen an unsere Versicherung weiter", sagt René Röthig. Dort werde geprüft, ob der Anspruch gerechtfertigt sei - und anschließend gegebenenfalls von der Versicherung reguliert. Eine Rücklage für die finanziellen Kosten des Stromausfalls müsse man deshalb nicht bilden - genau dafür zahle man ja die Versicherungsprämie.

Den absoluten Schutz vor einem Stromausfall könne es nicht geben. Wer den wolle, müsse sich eine Stromversorgung installieren, die einspringt, wenn das Netz ausfällt. "Im Krankenhaus etwa gibt es so etwas - und es hat funktioniert", sagt Röthig. Die Frage sei, wie viel man in so eine Anlage investieren wolle. Denn statistisch betrachtet ist so ein Stromausfall wie vom 18. Mai ein absoluter Ausnahmefall. Auch die Mitarbeiter, die teils schon seit Jahrzehnten in der Stromversorgung arbeiten, hätten sich nicht an einen flächendeckenden Stromausfall in der Stadt erinnern können.

Statistisch betrachtet steht Riesa jedenfalls bei der Sicherheit der Stromversorgung sehr gut  da: Fiel in Deutschland der Strom im Jahr 2018 statistisch betrachtet knapp 14 Minuten pro Verbraucher aus, waren es pro Riesaer Verbraucher lediglich gut vier Minuten. 2019 waren es in Riesa viereinhalb Minuten, der Deutschland-Wert liegt noch nicht vor.

Der im Vergleich sehr gute Wert resultiere daraus, dass man im städtisch geprägten Riesaer Netz auf eine sogenannte Ring-Verlegung gesetzt habe. Gibt es also irgendwo an einem Versorgungskabel einen Defekt, kann der Strom für die betroffenen Haushalte schnell umgeschaltet werden und von der anderen Seite fließen.

Ein sensibler Punkt

Schwieriger wird es natürlich, wenn der Defekt nicht irgendwo auftritt, sondern wie jetzt am sensibelsten Punkt, direkt im Umspannwerk. "Aber auch da hat sich gezeigt, dass wir schnell reagieren konnten", sagt der Stadtwerke-Chef. Schnell? "In reichlich drei Stunden waren alle Haushalte wieder am Netz", sagt Röthig. "Ich verstehe den Ärger der Kunden. Aber für so einen Schaden ging die Reparatur schnell."

Zumal man berücksichtigen müsse, dass erst die Feuerwehr ran und die Enso Techniker aus Dresden schicken musste. "Wir hatten dann in den späten Abendstunden 15 Experten im Einsatz. Das hat gezeigt, dass wir auch für solche Fälle gut vorbereitet sind", sagt Röthig.

Bei Facebook war die Frage aufgetaucht, warum Riesa von einem Umspannwerk derart abhängig ist - und ob man nicht einfach auf ein anderes umschalten könne. Tatsächlich ist das Umspannwerk Nord ein zentraler Punkt für Riesas Stromversorgung. "Die Redundanz wird durch verschiedene Blöcke im Umspannwerk gewährleistet", sagt Röthig. 

Eine Umschaltung der Versorgung einer ganzen Stadt funktioniere aber nicht auf Knopfdruck. Stattdessen müsse man behutsam einzelne Bereich wieder zuschalten, so dass erzeugte und abgenommene Energiemenge sich exakt die Waage halten. "Sonst bricht das Netz schnell wieder zusammen."

Sollte das Umspannwerk Nord komplett ausfallen, könne man das Riesaer Netz dezentral über kleinere Trafostationen, die mit dem Netz der überregionalen Versorger verbunden sind, abschnittsweise wieder mit Strom versorgen. Und für Teilbereiche sei auch eine "Insellösung" durch die Heizkraftwerke der Stadtwerke möglich - aber auch die waren beim großen Stromausfall erst einmal ausgefallen - und mussten anschließend sorgsam wieder hochgefahren werden.

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