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Das Leben geht weiter, nur anders

Heute vor acht Jahren erlitt Daniel Friedrich einen Badeunfall. Seitdem sitzt er im Rollstuhl. Der Tag wird aber jedes Jahr gefeiert.

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Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Jedes Jahr am 25. Juni lädt sich Daniel Friedrich Gäste ein: seine Familie, die Freunde. Letztere brauchen eigentlich keine Einladung mehr, sie kommen sowieso. Dabei ist der 25. Juni eigentlich ein schwarzer Tag im Leben des 25-Jährigen: Seit diesem Tag vor acht Jahren ist der Lüttichauer querschnittsgelähmt. „Doch ich feiere ihn wie meinen zweiten Geburtstag“, sagt der junge Mann. „Denn es hätte auch ganz schief gehen können.“

Daniel bewohnt eine großzügige Wohnung in der ehemaligen Scheune auf elterlichem Grundstück. Mit dem Fahrstuhl gelangt er in die erste Etage, dort ist er perfekt eingerichtet: Die Türen öffnen sich elektrisch, alles ist ebenerdig und modern: Wohnstube, Küche, Bad und Schlafzimmer. Ein Großenhainer Architekt, der ebenfalls körperbehindert ist, hat alles geplant. Über eine Schräge kommt Daniel genau in die Wohnung seiner Eltern nebenan. Und eine Ecke ist ganz seinem Hobby, dem Fußball, gewidmet. Dieser Fanplatz ist voller Dynamo-Dresden-Devotionalien: Fotos, Bücher, ein Schal, Autogrammkarten.

Doch das Schönste ist Daniels gewaltige Terrasse: Rund um sein Zuhause verläuft ein Außenbalkon. Hier kann Daniel sich auf etwa 30 Metern richtig ausfahren: von der Küche zum Wohnzimmer und wieder zurück. Etwa drei Meter über dem Erdboden blickt der Lüttichauer in die Landschaft hinaus: Auf das weite Maisfeld, den Wald dahinter, die Straße in den Nachbarort. „Ich genieße die Natur, bin gern draußen“, sagt der junge Mann. „Mein Leben ist jetzt fast wieder so, wie ich es vorher hatte.“

Auf Hilfe angewiesen

Diese Worte mag man Daniel Friedrich kaum glauben: Er sitzt im Rollstuhl, ist von der Brust abwärts gelähmt, kann weder laufen noch seine Hände richtig bewegen. Morgens und abends muss der Pflegedienst kommen, weil Daniel beim Ausziehen und Waschen auf Hilfe angewiesen ist. Dennoch will der Lüttichauer nicht von einem Bruch in seinem Leben reden. Auch wenn der Badeunfall es in Sekunden veränderte.

Er war Lehrling, Rettungsschwimmer und aktiver Handballer in Ortrand. Der Steinbruch in Stölpchen war für ihn und seine Freunde kein unbekanntes Gewässer. „Klar wussten wir, dass wir da eigentlich nicht baden dürfen“, erinnert sich Daniel. Und gibt zu, dass Freunde von ihm unerlaubterweise bis heute dort schwimmen. Daniel selbst sprang damals an einer Stelle ins Wasser, die eigentlich nicht gefährlich schien. Dennoch kam er unglücklich auf, sein fünfter Halswirbel brach, er drückte ins Rückemark und klemmte Nerven ab.

Vollzeitjob bei der Bahn

Drei Tage war Daniel, damals 17, im Krankenhaus, neuneinhalb Monate in der Reha in Kreischa. In Depressionen sei er damals nicht gefallen, sagt der Lüttichauer. „Ich bin ein Kämpfer, ich war bis dahin nie krank, ich hab mich auch dann nicht hängenlassen.“ Seine Lage nur noch negativ zu sehen, war nicht sein Ding. Daniel begann Rollstuhlrugby zu spielen und trainiert das bis heute in einer Mannschaft. Auch die Physiotherapie nimmt er ernst. Nach seiner Rehabilitation musste er zwar die Ausbildung als Elektroniker bei der Deutschen Bahn aufgeben. Doch die Knappschaft finanzierte ihm eine zweite Ausbildung zum technischen Zeichner. Heute arbeitet Daniel in Vollzeit bei der Bahn in Dresden. Er ist unheimlich froh, dass er in der Region bleiben konnte.

Daniel hat ein umgebautes Auto und kann eigentlich überall hin. „Ich fahre mit meinen Kumpels auch auswärts zu Dynamo-Spielen. Da höre ich manchmal: So was wie Sie hatten wir noch nie.“ Der junge Mann versucht all das zu tun, was auch seine nicht behinderten Freunde tun. Da geht erstaunlich viel, man müsse nur fragen. Selbst wenn Daniel auf Dienstreise nach Frankfurt/Main muss, kann er sich alles organisieren, einschließlich Kurzzeitpflege. Das in Anspruch zu nehmen, sei für ihn normal geworden. Im Oktober will er zum ersten Mal in den Urlaub fliegen. Als großes Ziel steht außerdem eine Reise nach Dubai. „Die Wüste, das höchste Haus der Welt, das will ich sehen“, sagt er. Daniel hat sich zum Ziel gesetzt, alles, was er körperlich nicht mehr kann, mit dem Kopf auszugleichen.

Was ihn motiviert, sind auch seine Freunde. Sie sammelten für ihn Spenden, um den Hausumbau zu unterstützen. „Jetzt achten sie darauf, sich nicht auf Behindertenparkplätze zu stellen und helfen älteren Menschen“, freut sich Daniel. Sein Schicksal hat sie aufmerksamer gemacht.