Von Madeleine Siegl-Mickisch
„Das Dorfleben stirbt immer mehr“, sagt Heide-Marie Leinert mit einem Blick aus dem Fenster ihres Schuhgeschäftes in Gaußig. Seit 1991 hat sie den Laden an der Kirche betrieben, in den letzten Wochen kündeten Schilder vom Räumungsverkauf. Nun ist Schluss. „Ich hätte eigentlich schon eher zumachen müssen, aber es gab immer noch ein paar treue Kunden.“ Doch es würden immer weniger, viele junge Leute ziehen weg und ansonsten setzten sich die meisten ins Auto, um in die Stadt zu den größeren Märkten zu fahren.
Die Einzelhändlerin, die auch vor 1990 schon im Konsum Schuhe verkaufte, erinnert sich an reges Leben im Ort, als die TU Dresden zu DDR-Zeiten das Schloss als Schulungs- und Erholungsheim nutzte und dadurch stets viele Auswärtige nach Gaußig kamen.
Doch nach der Wende verschwand nicht nur aus dem Schloss das Leben. Auch für die traditionsreiche Park-Gaststätte kam mit dem Ende des Konsums das Aus. Mittlerweile ist auch die zweite Gaststätte im Ortszentrum geschlossen. Jahrelang hatte man nach dem Verkauf des Schlosses vergeblich auf die Umsetzung hochtrabender Pläne und damit eine Belebung des Ortes gehofft. Nun keimen wieder Erwartungen, seit es einen neuen Eigentümer gibt, der hier ein Hotel einrichten will.
Dafür, dass das öffentliche Leben nicht völlig aus Gaußig verschwunden ist, sorgen vor allem die Kirche und die evangelische Schule, deren Schülerzahl in den letzten Jahren stetig gewachsen ist. In der Mehrzweckhalle gibt es ab und zu Veranstaltungen und Sportwettkämpfe. Andere Einrichtungen hingegen wie die Sparkasse haben sich zurückgezogen. Auch die nach der Wende entstandene Tankstelle hat schon seit Jahren zu.
Keine Banken mehr im Ort
Doch nicht nur im Ort Gaußig beklagt man den Rückzug von Dienstleistungen. So befasste sich der Gemeinderat erst in seiner jüngsten Sitzung zum wiederholten Male mit der Volksbank-Filiale im Ortsteil Gnaschwitz, die ab morgen dicht ist. Ähnlich wie für die beiden Sparkassen-Filialen in Doberschau und Gaußig, die im vorigen Jahr schlossen, hatten sich die Abgeordneten für den Fortbestand stark gemacht. Doch sie konnten nur einen Aufschub von einem Jahr erreichen. Volksbank-Vorstand Klaus Otmar Schneider warb jetzt um Verständnis für die Schließung aus wirtschaftlichen Gründen. Die Gemeinderäte befriedigte das nicht. Bürgermeister Michael Schulze sprach aus, was viele denken: „Es geht wieder ein Stück Leben aus der Gemeinde heraus.“ Die Landbevölkerung werde gegenüber der Stadt immer mehr benachteiligt.
Das zu ändern, sieht man in der Gemeinde immer weniger Chancen. Wie im Falle der Kreditinstitute schwindet auch mit Blick auf die Doberschauer Mittelschule die Hoffnung, selbst noch etwas für deren Erhalt tun zu können. „Es gibt keine durchdachte Bildungspolitik, Qualität interessiert nicht“, lautete in der Gemeinderatssitzung der Vorwurf an das Land.
Benachteiligt fühlen sich auch ältere Bürger in Doberschau. Nachdem im vorigen Jahr bereits die Postfiliale schloss, machte zu Jahresbeginn auch der Spar-Markt zu. Bäcker und Fleischer, die es im Ort noch gibt, sind in die Lücke gesprungen und bieten nun auch einige andere Lebensmittel an.