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Das lebende Klassenzimmer

Wilsdruff. Der Weg zum Schulgarten der Grundschule ist weit. Doch die Kinder nehmen die Mühen gerne in Kauf.

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Von Stefan Brieger

Spinat, Quark, saure Eier – die Schulspeisung hält für kleine Rucksackträger immer wieder umstrittene Köstlichkeiten bereit. Was den Kindern der Wilsdruffer Grundschule aber vorgesetzt wurde, dürfte sonst eher selten auf Speiseplänen zu finden sein. Die Dritt- und Viertklässler bekamen Brennnesseln zum Kosten.

Hinter dem merkwürdigen Mahl steckt der ganz normale Lehrplan: Dieser fordert seit einiger Zeit mehr fachübergreifendes Arbeiten. „Und das lässt sich in unserem Schulgarten besonders gut umsetzen. Deshalb haben wir dort einen Schwerpunkt unserer Arbeit gelegt“, erklärt Lehrerin Christina Lehmann. Biologie beim Kräuter-Kosten, Mathe beim Kartoffeln-Wiegen und Blumen-Vermessen – einmal in der Woche wandern die dritten und vierten Klassen in die Natur, um praktisch zu erleben, was es sonst nur in Schulbüchern zu sehen gibt. Wobei wandern wörtlich gemeint ist: Der Schulgarten befindet sich mehrere Kilometer entfernt in Grumbach.

Hier, neben der Restauration „Julius Kost“, liegen die Rabatten und Beete, auf denen Kartoffeln, Kürbisse, Kräuter und Blumen wachsen. Zwar gebe es auch in Wilsdruff einen Garten, sagt Lehmann, doch dieser sei zu klein. „Die Idee, deshalb nach Grumbach zu gehen, entstand nach dem Landwirtschaftstag im Vorjahr.“ Viele Schüler hätten sich an der Vorbereitung des Großereignisses beteiligt, eine Weiterführung der Arbeit habe sich angeboten. Weiterer Vorteil: Gleich neben dem Schulgarten befindet sich unter anderem ein Pferdehof.

Das ungewöhnliche Projekt der Wilsdruffer Grundschule hat sogar einen eigenen Slogan: „Kommt mit uns ins lebendige Klassenzimmer“. Läuft alles gut, können sich diesen Spruch bald weitere Bildungseinrichtungen auf die Fahnen schreiben. „Es ist ein Pilot-Projekt. Bei Erfolg wird es von anderen Schulen aus der Region übernommen“, erklärt Lehmann.

Bis jetzt, ein Jahr nach dem Start, sieht es gut aus. „Anfangs waren einige Lehrer skeptisch, und sicherlich klappt nicht alles perfekt. Aber wir sind zufrieden.“ Die Hauptsache: Den Schülern macht es Spaß. „Die sind wirklich begeistert“, sagt Lehmann. „Sie bringen auch selber Ideen in den Unterricht ein.“ Sogar die Disziplin habe sich teilweise verbessert, erklärt die Lehrerin: „Wir arbeiten in Gruppen, das fördert die soziale Komponente.“ Und bringt interessante Tatsachen hervor: Beim Brennnessel-Kosten waren die Jungs viel ängstlicher als die Mädchen. „Irgendwann haben aber alle herausgefunden, dass es nicht brennt, wenn man die Blätter zerdrückt.“