Von Gesine Schröter
Salzer-Pass. Allein der Name, der auf dem selbst gebastelten, aber robusten Schild steht, treibt Dietmar Salzer die Tränen in die Augen. Vor lauter Rührung weiß er nicht, ob er weinen oder lachen soll. „Maut-Pflicht“, liest er weiter. „Für über 70-Jährige, mit einer Geschwindigkeit von 666 Meter pro Sekunde, Überholverbot – genau auf mich und den Weg zu unserem Haus zugeschnitten“, sagt der Rentner. Denn er und seine Frau Gertl sind die Einzigen, die ihr Grundstück ausschließlich über ein paar Meter des Wanderweges erreichen können, der von der Jonsdorfer Straße An der Drehe abgeht. An der Metallstange des Schildes ist eine antike Kaffeedose montiert, mit einem Schlitz. Den Schlüssel für diese Kaffee-, Sekt- oder sonstige Getränkekasse hat jemand anderes. Ob er denn die Maut auch immer brav bezahle? „Natürlich“, sagt Salzer, „bei jedem Rausfahren einen Euro.“ Und wieder werden seine Augen feucht. In seinem langen Leben habe er schon viel gesehen und erlebt, aber diese Art von Freundschaftsbeweis haut auch ihn als alten Jonsdorfer um.
Hinter der Aktion mit dem Maut-Schild stecken drei Pärchen: Kleins, Limburgers und Andrea Winkler mit ihrem Lebensgefährten Steffen Renner. Sie wohnen ganz in der Nähe von Salzers Häuschen und sind dick mit ihm befreundet. „Wir sitzen bei jedem Anlass zusammen“, erzählt er. „Und wenn es keinen Grund gibt, dann trotzdem.“ Bei einer dieser geselligen Runden Mitte Mai war jedoch etwas komisch: Die Männer fehlten, und als der Rentner fragte, wo sie denn blieben, wiegelten die Frauen ab. Das Nächste, an das sich Salzer nach diesem Ablenkungsmanöver erinnert, ist die Taufe des fachmännisch einbetonierten Schildes, die Leerung der Sektflasche über seinem Kopf und ein weiterer, wunderbar geselliger Abend mit den Nachbarn.
Zunächst war die Sache als kurzfristiger Spaß gemeint, doch als seine Freunde das Schild wieder entfernen wollten, hielt Dietmar Salzer dagegen. „Ich habe Bürgermeister Kunze angerufen, und er hat erlaubt, dass es stehenbleiben darf“, erzählt das Jonsdorfer Urgestein stolz. Seitdem ist das Schild Blickfang für jeden Passanten und erheitert jeden Gebirgsurlauber.
Doch auch eine andere Truppe kann die scherzhafte Widmung des Wegstückes nur begrüßen: die Mitarbeiter der Baufirma Franke aus Hainewalde. Fast ein Jahr lang haben sie die Straße An der Drehe aufwendig saniert. Denn wenn der große Ausbau der weiter unten gelegenen Großschönauer Straße in die nächste Phase mit Vollsperrung geht, wird der Verkehr an Salzers und den anderen Häuschen entlang umgeleitet. Dass Gastfreundlichkeit an Hausnummer 1 großgeschrieben wird, haben die Hainewalder Bauarbeiter selbst erlebt: Jeden Tag gab’s Kaffee an Salzers Tafel in der ausgeräumten Garage. Oder zur kälteren Jahreszeit mal einen kleinen Glühwein. „Die Jungs waren so fleißig, hilfsbereit, immer pünktlich und haben exakt gearbeitet“, sagt der Pensionär, „da muss man dankbar sein.“ Im Gegenzug war es Baufirmenchef Ludwig Franke, der alle Beteiligten zum Lachen brachte, als er den neuen Salzer-Pass sah: „Ich muss sofort in Bayern anrufen und erzählen, dass der erste Pkw-Mautzahler ausgerechnet aus der Oberlausitz kommt!“, waren seine Worte. Frankes Jungs arbeiten jetzt weiter unten an der großen Straße, ein freundliches Hallo für Dietmar Salzer haben sie immer übrig.
Dass der Jonsdorfer so gern sagt: „Ich bin Kumpel“, hat jedoch auch einen ernsten Grund. „Ich habe Leute und Geselligkeit um mich herum immer gebraucht“, sagt er nachdenklich. „In meinem Beruf hatte ich fast nur mit Schwerkranken, Schwerverletzten und Bewusstlosen zu tun.“ Salzer hat fast vierzig Jahre als Krankenpfleger gearbeitet, fast dreißig davon als Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivmedizin auf der Intensivstation im Zittauer Krankenhaus. „Eine harte Arbeit“, so der Rentner, auch wenn er sie gern gemacht hat.