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Das nächste große Ding nach dem Handy

Vor zwölf Jahren begann das Smartphone, die Welt zu erobern. Ist die Menschheit bereit für den nächsten Schritt?

Von Maximilian Helm
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Bei der iPhone Präsentation im Jahr 2007 wusste  kaum jemand, welchen Coup Apple-Gründer Steve Jobs dort gelandet hatte. Viele Technikbosse wollen es ihm nachmachen.
Bei der iPhone Präsentation im Jahr 2007 wusste kaum jemand, welchen Coup Apple-Gründer Steve Jobs dort gelandet hatte. Viele Technikbosse wollen es ihm nachmachen. © epa

Es gibt wenige Erfolgsgeschichten, die einen so ikonischen Startpunkt haben wie das Smartphone. 2007 stand Apple-Gründer Steve Jobs in schwarzem Rollkragenpullover auf der Bühne und präsentierte das erste iPhone. Ein Handy und ein Musikplayer zusammengelötet, mit einem innovativen Finger-Bedienkonzept. Ein Meilenstein, denn danach verloren die Handys ihre Tasten, jeder ging mobil ins Internet und Nokia und Blackberry verschwanden in der Bedeutungslosigkeit.

Doch wurden die Menschen immer abhängiger von dauerhafter Erreichbarkeit und dem Zugriff auf Wissensdatenbanken. Gleichzeitig wuchs die ganze Welt näher zusammen. Und durch die permanente Anwesenheit hochauflösender Kameras konnte die ganze Welt in sekundenschnelle von jedem kleinen Fehltritt erfahren. Im Zusammenspiel mit den sozialen Netzwerken wurde Privatsphäre immer seltener und kostbarer. Auf der anderen Seite standen große gesellschaftliche Umbrüche wie der arabische Frühling, der noch heute als „Facebook-Revolution“ bezeichnet wird.

Seit dieser historischen Entwicklung fragen sich Teenager wie Firmenbosse gleichermaßen: Was wird eigentlich das nächste große Ding? Selbstverständlich wurde versucht, den Erfolg des ersten Smartphones zu wiederholen. Apple präsentierte das erste Tablet und eine kluge Uhr, Googles Datenbrille sollte die Hände befreien und Microsofts Surface-Geräte die Laptop-Revolution anführen. Die Geräte fanden zwar ihre Käuferschaft, aber sie hatten nicht einmal annähernd den revolutionären Charakter des ersten iPhones.

Das Ende der Laptops

Dessen Erfolg markierte, dass es der vorläufige Endpunkt einer längst dagewesenen Entwicklung war. Die Menschen wollten Minimalismus, sie waren es Leid zum Musik hören, zum Filme schauen, zum Telefonieren, zum Fotografieren und zum Uhr ablesen eigenständige Geräte zu benutzen. Das Smartphone verhieß, künftig nur noch ein einziges Stück Technik in der Hosentasche herumzutragen. Und es hielt dieses wahnwitzige Versprechen auch noch, obwohl das noch zehn Jahre zuvor eher belächelt worden war.

Wer künftig durchschlagenden Erfolg haben will, der muss mehr bieten als ein Smartphone. Der muss ein Gerät erfinden, das Internet, Uhr, Musik, Video, Foto und noch ein bisschen mehr kann. Der nächste Produkttyp, den das Smartphone auffressen wird, ist der Computer. Der hat sich in den letzten 20 Jahren ohnehin vom großen Kasten unter dem Schreibtisch zum filigranen Notebook auf dem Schoß entwickelt.

Lange Texte ließen sich bisher nur schwer auf dem Handy tippen und auch für Fotobearbeitung und Videoschnitt war der Bildschirm zu klein und das Gerät zu leistungsschwach. Die Leistung ist langsam kein Problem mehr, die neusten Smartphones kommen mit Rechenpower, die viele Mittelklasse-Laptops vor Neid erblassen lassen. Was bleibt, ist die Frage der Größe und der Haptik. Eine Möglichkeit wäre, eine Art Laptophülle zu entwickeln, die nur aus Akku, Bildschirm und Tastatur besteht. Unten, wo sich normalerweise das Touchpad befindet, ist eine Aussparung, in die sich das Smartphone schieben lässt. Das Handy wird dann auf dem großen Bildschirm betrieben und das Handy dient als Touchpad.

Nach der Vorstellung des Dresdner Grafikdesigners Stephan Thiel, könnte so eine Smartphone-Laptop-Kombination aussehen.
Nach der Vorstellung des Dresdner Grafikdesigners Stephan Thiel, könnte so eine Smartphone-Laptop-Kombination aussehen. © Konzept: Stephan Thiel

Die zweite Möglichkeit, die ohne weitere Hardware auskommt, wurde letzten Monat vorgestellt. Klapp-Handys wie das Samsung Galaxy Fold, die in die Hosentasche passen, sich dennoch erweitern lassen und viel Platz bieten können. Natürlich kommt ein Handybildschirm, auch auf doppelte Größe geklappt, noch nicht an einen PC-Monitor heran. In den nächsten Monaten können wir uns trotzdem auf viele Geräte mit „Knick“ freuen. Und wenn das Handy nicht nur einmal, sondern zwei- oder viermal aufgefaltet werden kann, wird es zur ernsten Laptop-Konkurrenz.

Die Menschen als Cyborgs?

Doch denkt man die Reduzierung der Technik weiter, ist auch das Smartphone noch ein Objekt zu viel. Denn nachdem es alle anderen Geräte absorbiert hat, wird auch das Alleskönner-Handy verschwinden. Denn über kurz oder lang wird die Technik in den menschlichen Körper wandern. Diese Bewegung heißt Transhumanismus. Das ist eine philosophische Strömung, die es als Pflicht der Menschheit ansieht, dauerhaft nach Fortschritt zu streben. Einige Anhänger postulieren gar die Verschmelzung der Menschheit mit der künstlichen Intelligenz für das Jahr 2045 und prophezeien der Menschheit eine Zukunft als Cyborgs.

Vor allem in Japan und den Vereinigten Staaten betreiben Enthusiasten bereits heute sogenanntes „Biohacking“ und tragen Computer unter der Haut. Andere haben Handys in ihren Händen verbaut, ein Mikrofon im kleinen Finger, den Lautsprecher im Daumen. Was heute noch nach einem Witz klingt, könnte auf lange Sicht ein ganz normaler Weg sein, zu telefonieren. Implantierte Schienbeinschoner, Magnete in den Fingerspitzen und implantierte Kopfhörer gibt es bereits.

Die große Frage ist vermutlich nicht ob, sondern wann diese Visionen massentauglich werden. Strom könnte der Körper selbst liefern und auch Design und Oberflächen wären überflüssig, weil die Geräte unsichtbar unter der Haut liegen. Die könnten dann die Körperfunktionen genau überwachen, durch Hirnimpulse gesteuert werden und Informationen auf die Netzhaut projizieren. Selbst die Installation neuer Sinne ist möglich. Die Stoßrichtung ist klar: Jederzeit soll auf das kollektive Gedächtnis des Internets zugegriffen werden. Die menschlichen Grenzen werden durch Technik nach oben verschoben. Sei es bei Informationen, Kommunikation oder der physischen Leistungsfähigkeit.

Damit stellen sich dann auch ethische und rechtliche Fragen. Lässt man es tatsächlich zu, dass internationale Konzerne sämtliche Daten über Bewegungen und Körperfunktionen auslesen können? Können Implantate zur Pflicht werden, zum „Wohle aller“? Bislang sind Menschen noch zu recht skeptisch, doch iPhone und Smartwatch sind längst die ersten Schritte zur Erweiterung des Körpers und des Geistes. Deshalb sind diese Fragen kein Problem der Zukunft, sondern sollten schon heute geklärt werden. Damit die Menschheit beim all dem technologischen Fortschritt keine böse Überraschung erlebt.