SZ +
Merken

Das nächste Umgebindehaus zieht um

Wieder soll ein altes Gebäude auf Reisen gehen. Ist das die Zukunft im Denkmalschutz?

Teilen
Folgen

Von Romy Kühr

Von Neugersdorf nach Brandenburg, von Eibau nach Japan oder von Wilthen nach Irgersdorf – schon mehrfach sind Umgebindehäuser versetzt worden. Die einzigartige Blockständer-Bauweise macht das möglich. Die Blockstube wird auseinandergebaut, die Balkenkonstruktion von Obergeschoss und Dachstuhl demontiert und am neuen Standort wieder aufgebaut, der Rest wird neu gemauert – fertig. So einfach ist es allerdings nur in der Theorie. In der Praxis sind hoher Aufwand und Kosten damit verbunden. Dennoch könnte die Umsetzung für manches alte Haus in der Oberlausitzer Volksbauweise die Rettung vor dem Verfall sein.

Auch für das in der Mühlstraße 23 in Ebersbach. Zweimal ist das kleine eingeschossige Umgebindehaus innerhalb kurzer Zeit von der Spree, die direkt dahinter fließt, überschwemmt worden. Bis zur letzten Flut im Juni 2013 wohnte hier sogar noch eine Familie. Nach der jüngsten Katastrophe jedoch hat sie aufgegeben. Zu groß ist das Risiko erneuter Überschwemmungen. Darum hat die Stadt sich entschlossen, mit dem Gebäude ein Exempel zu statuieren. Sie hat es gekauft und will es versetzen. Einen neuen Platz soll es auf dem ehemaligen Lautex-Gelände in Neugersdorf bekommen. Damit verfolgt die Stadt gleichzeitig ihr Konzept vom Umgebindehauspark weiter. Ein solcher Park war der ursprüngliche Plan für die alte Lautexfläche. Aus Kostengründen ist er bislang nicht weiter vorangetrieben worden.

Stück für Stück soll das Ebersbacher Haus nun demnächst dorthin umziehen. „Bis Ende nächsten Jahres wollen wir mit der Umsetzung fertig sein“, so Bürgermeisterin Verena Hergenröder (parteilos). Bislang ist das Haus entkernt worden. Wie es an seinem neuen Standort künftig genutzt werden soll, dafür gibt es noch keine konkreten Pläne. „Wir versetzen lediglich erst einmal die bauliche Hülle“, erklärt Frau Hergenröder. Innen werde noch nichts ausgebaut. Für die Stadt sei das ein Test, wie so etwas funktioniert und wie groß der Aufwand ist, sagt die Bürgermeisterin – auch im Hinblick auf den großen Plan vom Umgebindehauspark.

Einer, der den Aufwand kennt, ist Arnd Matthes. Er leitet die Stiftung Umgebindehaus. Die wird der Stadt mit fachlichem Rat beim Hausumzug zur Seite stehen. Matthes hat 20 Jahre lang in einer Denkmalschutzbehörde gearbeitet, kennt Fachfirmen und hat schon zweimal den Umzug eines Umgebindehauses begleitet: in Neugersdorf und in Wilthen. Im Haus an der Ebersbacher Mühlstraße haben Restauratoren schon Balken untersucht und Mauerwerk freigelegt. „Wir haben die Baugeschichte rekonstruiert“, erklärt Matthes.

Diese Bestandsaufnahme sei die wichtigste Aufgabe bei der Vorbereitung. Je nach Zustand müsse man abschätzen, ob sich ein Umzug noch lohnt. „Es kommt darauf an, was zu reparieren ist. Wenn Häuser lange leer stehen, leidet die Substanz, dann wird es schwierig.“ Hier ist das noch nicht der Fall. Das Haus ist außerdem bauhistorisch von Bedeutung, sagt der Umgebinde-Experte. „Es hat zwei Blockstuben, schon dadurch hebt es sich von der Masse ab.“ Die Blockstuben seien zudem original erhalten, genauso wie der Dachstuhl. Deshalb lohne sich der Erhalt – auch mit großem Aufwand.

Die Genehmigungen für den Abbau des denkmalgeschützten Hauses hat die Stadt vorliegen. Seit der Berliner Thomas Mix gegen die Behörden und um seine Erlaubnis kämpfte, ein Neugersdorfer Haus mit nach Buckow in Brandenburg zu nehmen, hat sich offenbar einiges getan. Dennoch, so sagt Denkmalschützer Arnd Matthes, wird die Umsetzung von Umgebindehäusern eine Ausnahme bleiben, schon allein aus Kostengründen. Die seien von Haus zu Haus sehr unterschiedlich. Das hänge von Größe und Zustand der Bausubstanz ab. Für das Ebersbacher Haus könnten 300 000 Euro realistisch sein, schätzt er. „Sicher wäre die Umsetzung aber für so manches Haus eine Chance.“

Das sieht auch Umgebindehaus-Fan Thomas Mix so. Er glaubt, mit seinem ungewöhnlichen Projekt, das erst kürzlich fertig wurde, einen Anstoß zum Umdenken gegeben zu haben. „Wir verfolgen doch alle dasselbe Ziel: Wir wollen diese einzigartigen Häuser erhalten. Denkmalschützer sollten aber einsehen, dass das am alten Standort nicht immer möglich ist.“ Beide spielen auch auf die zahlreichen leeren Umgebindehäuser an, die zum Beispiel in Ebersbach entlang der B 96 stehen. Für das Haus aus der Mühlstraße ist der Umzug die Rettung vor dem sicheren Verfall. „Am alten Standort würde es keinen Eigentümer mehr finden“, schätzt Denkmalschützer Matthes ein.