Von Thomas Drendel
Ein Schloss zu bauen, das dauert. Diese Lektion hat Mario Freiherr von Maltzahn gelernt. Seit mehreren Jahren ist er dabei, an der Kleinen Röder in Leppersdorf einen Familiensitz zu errichten. Mit Türmchen, Zinnen, Erkern und drei Gebäudeflügeln. Einer ist in romanischem Baustil gehalten, Fachwerk ist dabei, der andere sieht eher nach Gotik aus. Auf den ersten Blick ist alles aus Sandstein gebaut. „Der Schein trügt. Die Mauern sind aus modernen Ziegeln und nur die Verkleidung ist aus Sandstein“, sagt der Bauherr.

Genau genommen hat das Projekt mit der Flut 2002 begonnen. Ohne sie würde es das Schloss vermutlich nicht geben. „Damals gab es sehr günstig Sandsteinblöcke. Viele Häuser wurden abgerissen. Niemand wusste wohin mit den großen Quadern. Ich habe mir eine große Menge anliefern lassen“, sagt der Leppersdorfer. Die liegen jetzt auf seinem Grundstück an der Dresdner Straße. Nach und nach wird der Haufen kleiner. Steinmetze sind dabei, die Außenverkleidung des kleinen Türmchens am linken Gebäudeflügel anzubringen. „Wir nehmen die alten Steine und passen sie der Rundung des Turmes an. Würde man das von einer Firma mit neuen Steinen machen lassen, wäre das unbezahlbar.“
Alte Handwerkskunst ist auch in dem Türmchen zu bewundern. Dort verläuft eine steinerne Wendeltreppe vom Keller bis zum Obergeschoss, eng und aus Sandstein, wie in einer mittelalterlichen Burg. „Die Stufen aus Sandstein mussten wir neu anfertigen lassen.“ Der Freiherr zeigt auf den Handlauf. Hier zeigt sich das besondere Können der Steinmetze, sagt er. „Das Geländer ist ja zweifach verdreht. Einmal durch die Rundung des Turmes, außerdem windet es sich ja mit der Treppe nach oben. Ganz große Kunst.“ In seinem Kern ist das Schloss modern. Da verlaufen gut isolierte Stränge für Heizung oder Warmwasser auf den Böden entlang. Ein Mitarbeiter ist dabei, dicke Kabelstränge zu verlegen. „In der nächsten Zeit wird der Estrich auf den Fußböden verlegt. Das ist eine Art Ausgleichsbeton. Dann verschwinden viele der Leitungen.“ Auch die Zimmer in dem Neubau haben so gar nichts Mittelalterliches. Sie sind groß geschnitten, viele Fenster, hohe Decken. Im obersten Geschoss kann man bis in den Dachstuhl blicken. „Hier werden Wohnungen eingerichtet, vielleicht auch die ein oder andere Ferienwohnung. Ich denke, die Nachfrage ist groß“, sagt der Leppersdorfer. Im Herbst soll das Erdgeschoss fertig sein. Der Innenausbau in den beiden oberen Geschossen soll über den Winter erfolgen. „Im nächsten Jahr ist dann hoffentlich der gesamte Flügel fertig.“ Was das alles kostet? Darüber will von Maltzahn nicht sprechen. „Viel zu viel“, sagt er nur.
Schon jetzt kann man das Untergeschoss bewundern. Das ist Zeitreise pur. Zwischen dicken Säulen, schweren Kapitellen und Sandsteingewölbe wähnt man sich im 13. Jahrhundert. Es scheint, als könnte Sean Connery in seiner Mönchskutte gleich um eine Säule biegen, so wie im Film „Im Namen der Rose“. Aber auch hier gilt: Außen Mittelalter, dahinter moderner Stahlbeton. Mario von Maltzahn kann sich in dem Gewölbe Erlebnisgastronomie vorstellen. „Das wird sicher keine dauerhafte Gaststätte. Man könnte das für Familien- oder Betriebsfeiern vermieten.“ In den 90er Jahren hat der Freiherr den ehemaligen Dreiseithof in der Nähe des Leppersdorfer Dorfteiches gekauft. Die alten Gebäude wurden abgerissen und an der Stelle die neuen errichtet in etwa den Ausmaßen der Alten. Als Erstes wurde der rechte Flügel fertig. In dem wohnt die Familie von Maltzahn. Im Quergebäude ist seine Firma untergebracht. Er ist Unternehmer in der Telekommunikationsbranche und betreibt mehrere Vodafone-Shops in Sachsen. In letzter Zeit ist ein weiterer Geschäftszweig hinzugekommen. Der Verkauf von Ledertaschen in allen Formen und Farben über das Internet. Der Absatz ist nach seinen Angaben reißend. „Wir verkaufen vor allem in Europa. Jetzt haben wir die Zulassung für Amazon in den USA bekommen. Da wird sich die Nachfrage sicher noch einmal erhöhen.“ Problematisch wird der Versand. „Entweder die Taschen sind drei Wochen unterwegs. Das kann man niemandem zumuten. Ein Expressversand ist zu teuer. Vermutlich muss das dort jemand übernehmen.“ Die Taschen werden unter anderem in Leppersdorf produziert. Das Besondere ist wohl der Namenszug und das Wappen der von Maltzahns.
Während sich der Hausherr um die Bestellungen kümmert, arbeiten draußen die Handwerker. Im neuen Flügel werden hölzerne Rundbögen für die Türen angefertigt. „Hier kommen alte Türflügel rein, moderne würden ja nicht zu dem Haus passen. Wunderbare Stücke. Auch die sind heute kaum noch bezahlbar. Die Türöffnungen sind extra so angelegt, dass sie die Größe der alten Türen haben.“ Ja, gewissermaßen wird das Haus um die Türen herum gebaut, sagt Mario von Maltzahn nachdenklich.