Das neue Leben der Laura Dahlmeier

Im Uni-Hörsaal hat Laura Dahlmeier mal einer gefragt, ob sie aus Österreich komme. „Da habe ich gesagt, nein“, erzählt die Olympiasiegerin. „Da hat er gefragt, ob ich Ski fahre und ob ich erfolgreich war.“ Sie grinst. „Ja, so a bissl“, hat die 26-Jährige geantwortet und beim Erzählen der Anekdote ein Lächeln auf den Lippen. Und dann kam, ob sie denn bekannt sei? Irgendwann sei der Kommilitone doch noch drauf gekommen: „Du schaust so ähnlich aus wie die Laura Dahlmeier.“
In sechs Jahren im Weltcup hat die frühere Biathletin 20 Einzelsiege gesammelt, 2017 gewann sie die Gesamtwertung. Stolze sieben WM-Titel holte sich Dahlmeier, 2018 krönte sie ihre Laufbahn mit zwei olympischen Goldmedaillen. Ihr Rücktritt mit erst 25 Jahren im vergangenen Mai traf den Deutschen Skiverband (DSV) ins Mark. Erfolgreich? Also bitte!
Doch Dahlmeier wollte irgendwann raus aus dem Hamsterrad Leistungssport und hat ähnlich wie die vor ihr überragende Ex-Biathletin Magdalena Neuner ungewöhnlich früh ihre Karriere beendet. „Ich hatte keine Lust mehr“, erzählt sie im Haus des Skiverbandes in Planegg. Im Frühjahr habe sie Ski und Gewehr in die Ecke gestellt und gedacht: „Das schaue ich jetzt erst mal ein Jahr nicht mehr an. Ich hatte dafür keinen Nerv mehr.“
Inzwischen ist Dahlmeier längst rückfällig geworden. Das Sportstudium an der TU München lastet sie nur geistig aus. „Mir war wichtig, etwas für den Kopf zu tun. Aber es fällt mir schwer, stundenlang stillzusitzen“, gibt sie zu.

Nach einem Anruf ihrer ehemaligen Teamkollegin Maren Hammerschmidt kramte sie im Sommer die Skiroller hervor, auch die Waffe hat sie längst wieder aus dem Schrank geholt. Am 28. Dezember wird sie an der Seite von Erik Lesser auf Schalke ihr Abschiedsrennen bestreiten. „Ich bin ganz gut gerüstet“, sagt sie.
Zuletzt war Dahlmeier mit der Biathlon-Nationalmannschaft, ihren früheren Kolleginnen, am Dachstein unterwegs, sozusagen als Trainer-Praktikantin. „Ich bin dann aber mehr selber gelaufen, als am Streckenrand zu stehen. Nach einer Woche war ich richtig platt.“ Für ihr letztes Biathlon-Rennen bringt sie sich also noch einmal in Form. „Das ist eine super Gelegenheit, sich von den Fans richtig zu verabschieden. Mein Karriereende war für viele schon ein rechter Schlag“, meint sie.
Auch fünf Monate nach ihrem Rücktritt verspüre sie „keine Sehnsucht“ nach dem Leistungssport. Aber eben einen unstillbaren Bewegungsdrang. Noch vor dem Medientermin war sie am Mittwoch eine Stunde laufen. „Ich ziehe die Turnschuhe an und bin glücklich“, sagt Dahlmeier, zur Jeans trägt sie ein pinkfarbenes Sportshirt und passende Laufschuhe.
„Laura und die KlimaGang.“
Sieben Monate nach ihrem letzten Rennen ist sie im neuen Leben angekommen. „Mir geht es gut“, betont sie. „Super befreiend“ sei es gewesen, als sie ihre Entscheidung getroffen habe. „Ich kann tun und lassen, was ich will. Das war das schönste Gefühl.“
Neben dem Studium macht Deutschlands Sportlerin des Jahres 2017 außerdem den Biathlon-Trainerschein. „Ich kann mir aber derzeit nicht vorstellen, Trainerin zu werden. Das ist ein 24-Stunden-Job.“ Aber „irgendwann“ will sie ihr Wissen „an die richtigen Menschen weitergeben“.
Eher zufällig kam Dahlmeier außerdem zum Berglauf. Nach guten Ergebnissen bei lokalen Wettkämpfen meldete sich der Deutsche Leichtathletik-Verband, das Ergebnis des Gesprächs: Dahlmeier wird Mitte November an der Langstrecken-WM in Argentinien teilnehmen. „Ich habe da ganz andere Ambitionen als bei einer Biathlon-WM. Ich werde mich zu 100 Prozent reinhängen. Ich glaube, das Terrain liegt mir nicht schlecht“, sagt sie über die Anden. Anstatt wie in ihrem alten Leben gewohnt die Medaillen anzugreifen, stehe „der Erlebnisfaktor im Vordergrund“. Über ihre Biathlon-Karriere sagt sie heute: „Diese Fremdbestimmtheit, das war schon mit das Anstrengendste.“
Daher ist auch eine Rückkehr in den Leistungssport, wenn auch in einer Sommersportart, kein Thema. „Wobei ich gemerkt habe, dass sich der Berglauf auf ein paar wichtige Rennen pro Saison konzentriert. Das ist ein Riesen-Unterschied zum Biathlon-Bereich, wo wir rund 40 Rennen pro Winter in vier Monaten hatten. Das war schon ein brutal hohes Pensum.“
Dahlmeier lässt ihre Energie jetzt lieber in andere Projekte fließen – auch außerhalb des Sports. Sie hat ein Kinderbuch geschrieben. Titel: „Laura und die KlimaGang.“ Sie sagt: „Da geht es darum, junge Menschen zu motivieren, etwas zu tun für unsere Welt, für unsere Natur.“
Und wann immer es ihre Zeit erlaubt, hilft sie ehrenamtlich bei der Bergwacht in ihrer Heimatgemeinde Garmisch-Partenkirchen aus. Dort verarzte sie „diejenigen, die zu viel Jagertee getrunken haben“, sagt Dahlmeier und lacht. So mancher Hilfebedürftige soll beim Anblick der prominenten Ex-Athletin umgehend genesen sein, heißt es. (dpa mit sid/SZ)