Mindestens seit 1889 können sich die Gäste im Erbgericht bewirten lassen. „Das wissen wir erst seit einem Jahr. Denn wir fanden auf dem Dachboden eine Urkunde zum 40. Jubiläum meiner Urgroßmutter Flora Schade, datiert auf das Jahr 1929“, erzählt die heutige Chefin Karin Nestroy.
Kurze Zeit später übergab Flora Schade die Geschäfte an Schwiegersohn Georg Kunath. Dieser erweiterte das Erbgericht gleich, indem er als gelernter Fleischer Mitte der 30er-Jahre in den Räumen der Gaststätte seine Fleischerei eröffnete. „Dazu kam dann der Anbau des Ballsaales“, erzählt Karin Nestroy.
Kinder standen Spalier
Aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges ist kaum etwas bekannt. Der Langenwolmsdorfer Manfred Kegel erinnert sich nur an eine Begebenheit aus dieser Zeit. „Damals mussten wir Kinder Spalier stehen, weil Reichsjugendführer Arthur Axmann hier her kam und im Saal eine Rede hielt“, erzählt der heute 75-Jährige. Nach dem Krieg besuchte er auch mehrere Maskenbälle, die auf dem Saal stattfanden.
Als Georg Kunath 1957 verstarb, übernahm Schwiegersohn Fritz Roch für kurze Zeit die Geschäfte. Dann mietete sich der Konsum in die Räume des Erbgerichtes ein und bewirtschaftete diese auch. „Jede Woche waren wir auf dem Saal, wenn das Landkino ins Dorf kam“, weiß Ralph Jatzke zu berichten. „Erst wurde die Wochenschau gezeigt, dann kam ein Film. Schließlich hatten damals die wenigsten Leute einen Fernseher zuhause“, erzählt der 66-Jährige. Auch bei den Tanzabenden schwang er mit seiner Freundin und späteren Frau Edith das Tanzbein. „Ich hatte damals auch meinen Spitznamen als „Vortänzer“ weg, weil wir immer die Ersten waren, die sich auf die Tanzfläche trauten“, lacht Ralph Jatzke.
Über das Land ziehende Puppentheater machten ebenfalls regelmäßig Halt auf dem Saal des Erbgerichtes. „Da gab es neben den Kindervorstellungen auch Puppentheater für Erwachsene“, schwärmt Karin Nestroy noch heute. Auch die Schule nutzte den Ballsaal regelmäßig. „Erst noch mit den Schuleingangsfeiern, dann bald auch mit den Jugendweihe-Veranstaltungen“, sagt Karin Nestroy. Und auch heute noch erhalten die Erstklässler auf dem Saal ihre begehrten Zuckertüten.
Nach dem Ende der DDR wurde es für wenige Monate ruhig um das Erbgericht und den dazugehörigen Ballsaal. „Für mich stand aber schnell fest, das ich es mit der Gaststätte versuchen will“, sagt die heute 54-jährige Geschäftsführerin. „Der Saal wurde frisch renoviert und das Parkett abgeschliffen, dann eröffneten wir im April 1991.“ Nachdem auf dem Saal wieder regelmäßige Tanzveranstaltungen stattfanden, wurde der Saal ein Jahr später umgestaltet. „Wir haben die Bar eingebaut, die Decke abgehangen und brachten die Holzvertäfelung an“, so Nestroy.
Das Ergebnis gefiel auch dem Langenwolmsdorfer Karnevalsclub, der sich 1995 gründete und seitdem im November und Februar zu Faschingsveranstaltungen auf den Saal einlädt. Auch von der Feuerwehr wird der Ballsaal regelmäßig genutzt. „Da gibt es den Feuerwehrball oder die Jahreshauptversammlungen“, sagt Karin Nestroy. Auch der Schützenverein, der Forker-Familienverband oder die Jäger halten ihre Tagungen auf dem Saal ab.
Wenn heute zu den monatlichen Tanzabenden eingeladen wird, müssen manche Gäste wegen Überfüllung vor der Tür bleiben. „Bei mehr als 200Leuten ist einfach Schluss“, lacht Karin Nestroy und freut sich über das große Interesse der Tanzwütigen.