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Das Schlamm-Schaufeln nimmt kein Ende

Wieder richten Sturzfluten enorme Schäden in Oderwitz an. Jetzt wird auch über die Ursachen diskutiert.

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Von Mario Heinke

Hannelore Schreiber hat ihre Familie zusammengetrommelt. Die Verwandten kratzen und kehren Schlamm und Geröll vom Hof des kleinen Grundstückes, das mit einer Schicht der braunen Masse überzogen ist. Der Schlamm hat sich in der Nacht einen Weg von den Feldern am Fuße des Spitzbergs bis über die Oderwitzer Hauptstraße in Richtung Landwasser gebahnt. Am Morgen, als die alarmierten Angehörigen zur Unterstützung angerückt sind, haben sie erst einmal den Keller gereinigt, sagt die Oderwitzerin. Wasser und Schlamm sind durch die Kellerfenster in das Einfamilienhaus an der Hauptstraße eingedrungen. „Ich habe inzwischen Angst vor Gewittern“, sagt Frau Schreiber verzweifelt. Sie ist gerade mit den Reinigungsarbeiten nach der Überschwemmung vor 14 Tagen fertig gewesen und jetzt ginge alles wieder von vorn los. Eine Sturzflut von Wasser und Schlamm sei in der Nacht über die Straße gerauscht, die Gullys seien sofort überschwemmt gewesen und dann lief es wieder in ihren Keller. Die Hausbesitzerin ist nervlich am Ende. „Jetzt muss ich erst mal etwas zum Essen für die Familie organisieren“, sagt Frau Schreiber und geht ins Haus. Ihre Helfer müssen sich beeilen, denn wenn der Schlamm erst eintrocknet, wird die Reinigung noch schwieriger.

René Schiffner vom Blumenladen „Sprossachse“ direkt gegenüber hat einen Hochdruckreiniger im Laden stehen. „Den hab ich mir nach dem letzten Gewitter vor zwei Wochen gekauft, um die Fassade zu reinigen“, sagt der Händler. Eine gute Investition, sagt Schiffner nicht ohne Ironie. An der Fassade ist der neue Schlamm schon entfernt, aber auf dem Parkplatz neben dem Gebäude ist ein Mitarbeiter der Osteg mit einem Radlader dabei, die Schlammschicht auf dem Parkplatz von den Betonsteinen zu kratzen und auf einen Haufen auf der Wiese zu kippen.

Die Mitarbeiter vom Oderwitzer Bauhof und die Kameraden der Oderwitzer Feuerwehr sind seit den Nachtstunden im Einsatz. Die Anwohner im Kirchweg hatten noch die Sandsäcke vor den Kellerfenstern liegen, so dass wohl nichts ins Haus gelaufen sei, aber das ganze Grundstück mit einer 20 Zentimeter dicken Schlammschicht überzogen ist, erzählt Hartmut Junge vom Bauamt. Sein Chef, Bauamtsleiter Christian Wirrig, war den ganzen Vormittag unterwegs, hat sich einen ersten Überblick von den Schäden in Oderwitz verschafft und telefoniert pausenlos. Drei Grundstücke am Kirchweg, Metallbau Neumann im Gewerbegebiet und die Firma Arno Hentschel sind wohl am schwersten betroffen.

Auffällig sei, dass die Schlammlawinen nur von den Maisfeldern gekommen sind, sagt Wirrig. Die Getreidefelder hingegen hätten die Wassermassen weitgehend aufgenommen. Wirrig kritisiert, dass die Landwirte ihre Furchen kerzengerade zum Spitzberg hoch ziehen und keine Feldraine mehr anlegen. Die Randstreifen der Felder würden heute bis zum letzten Meter genutzt, um die Erträge zu steigern. Von Melioration keine Spur mehr, deshalb bliebe das Wasser nicht in der Furche oder im Feldrain stehen. In den fehlenden Entwässerungsmaßnahmen sieht der Bauamtsleiter eine Ursache der beiden Schlammkatastrophen in den letzten zwei Wochen.