Das sind die Geheimnisse der Lüders-Villa

Die Villa Schützenstraße 9 beeindruckt Andreas Bednarek schon lange. „Mein Sohn ist hier Anfang der 1980er Jahre in die Kinderkrippe gegangen“, sagt der Architekt. Nun hat er dienstlich hier zu tun: Für private Bauherren leitet er jetzt die Sicherung und künftig die Sanierung. Die Eigentümer wollen mit der Villa nicht in der Öffentlichkeit stehen.
Nur so viel: Es handelt sich um ein Görlitzer Ehepaar, 59 und 46 Jahre alt, mit drei Kindern. Nach der Sanierung wollen sie selbst in die Villa einziehen. „Genauer gesagt, in den ersten Stock“, erklärt Bednarek. Das nämlich ist die repräsentative Etage, etwa 160 Quadratmeter groß. Im Parterre gibt es eher kleinere Funktionsräume, das Dachgeschoss ist nur teilweise ausgebaut, die Räume niedrig.
Doch gerade der erste Stock birgt Geheimnisse. Unter einer abgehangenen Decke haben die Bauherren eine bemalte Stuckdecke vorgefunden. Mehr noch: Zwischen alter und neuer Decke hängen sogar noch die Tapeten von 1893. Andere Geheimnisse sind weit weniger erfreulich: Viele Balken und Zwischendecken sind in einem weitaus schlechteren Zustand als gedacht. „Eigentlich hat nur noch die Dachpappe alles zusammengehalten“, sagt Bednarek etwas überspitzt. Doch tatsächlich war der Zustand so schlecht, dass jetzt erst einmal eine Sicherung läuft. Seit dem Beginn der Arbeiten im Winter sind viele Balken ausgetauscht worden. Jetzt wird die bemalte Stuckdecke gesichert, die an einer Stelle auch schon eingebrochen ist und an einer anderen durch den Bau eines Schornsteins in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das Hauptproblem: Es hat jahrelang eingeregnet. Und das, obwohl die Villa bis 2018 im Besitz der Stadt war, die bei privaten Eigentümern stets appelliert, es nicht so weit kommen zu lassen. Hier aber ist sie selbst für den Verfall verantwortlich.
Die Villa hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Der Königliche Hauptmann von Baczko beauftragte 1843 den Görlitzer Baumeister Gustav Kießler mit dem Bau eines Wohnhauses. Zwischen 1864 und 1868 ging das Grundstück in den Besitz derer von Wiedebach und Nostitz-Jänkendorf über. Bald darauf übernahm Christoph Lüders, Begründer der Görlitzer Waggonbauanstalt, das Grundstück, ab 1880 sein Sohn Erwin Lüders. 1928 wurde die Stadt Görlitz Eigentümerin. Sie nutzte das Haus als Dienstwohnung für mehrere Oberbürgermeister: Georg Wiesner, Wilhelm Duhmer und Konrad Jenzen. Nach Jenzens Absetzung 1938 stand die Villa weitgehend leer. Nun wurde auch der Lüderssche Privatgarten vom Villengrundstück abgetrennt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
1939 fiel das Grundstück an die Thüringer Versicherung. Unmittelbar nach Kriegsende nutzte die russische Kommandantur das Gebäude. 1953 erfolgte der Umbau der Villa in eine Kindertageseinrichtung. Das blieb sie bis etwa 2007 oder 2008. Seither hat die Stadt immer wieder abgewogen, ob eine Sanierung als Kita sinnvoll wäre. Erst Ende 2014 fiel die Entscheidung dagegen – und für den Verkauf. Ein Ehepaar aus Hessen gab im ersten Anlauf 2016 unter acht Bietern das höchste Gebot ab und bekam den Zuschlag für 205 000 Euro. „Der Verkauf ist aus persönlichen Gründen des Interessenten gescheitert“, erklärte später Amtsleiter Torsten Tschage.
Im zweiten Anlauf gab es nur drei Bieter und das Grundstück mit der Villa ging für 150 000 Euro weg. Ein Teil des Gartens war aber nicht enthalten. Vieles davon hat der neue Eigentümer mittlerweile gesondert erworben. „Mit den beträchtlichen Nebenkosten wird der Erwerb wohl insgesamt 175 000 Euro kosten“, sagt er. Baukosten plane er lieber nicht, „weil alles im Fluss und nichts zuverlässig ist“. Von der Stuckdecke wusste er beim Kauf nichts, Dach und Decken sind viel schlechter als gedacht. Andererseits: „Wenn Handwerker zu kostspielig werden, könnte ich einiges durch Eigenleistung abfedern.“
Offen ist die Fördermittelfrage. Für die Sicherung erhält der Eigentümer einen kleinen Anteil. Doch für die Sanierung? „Wir waren mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz im Haus, sie hat zumindest Interesse daran“, sagt Bednarek. Ob sie sich an der Instandsetzung der Decke beteiligt, sei aber noch nicht entschieden.
Auch einen exakten Zeitplan für die Sanierung gibt es nach Auskunft von Bednarek nicht. „Die Sicherung der Decke soll bis Oktober geschafft sein, dann kann das Schutzdach weg.“ Die Baugenehmigung für die Sanierung ist beantragt und müsste bald kommen. Draußen will der Bauherr alle Anbauten, Schuppen und Nebengebäude abreißen – bis auf drei Garagen im hinteren Eck des Grundstücks. Die gewonnenen Flächen sollen begrünt werden. Alle großen Bäume hingegen bleiben stehen.
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