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Das unbekannte Mini-Stadtviertel

Ein Filmteam entdeckt die Lilienthalstraße in Görlitz für sich. Doch auch Kommwohnen überlegt, in dieser Ecke aktiv zu werden.

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© nikolaischmidt.de

Von Ingo Kramer

Görlitz. Yvonne Catterfeld? „Ja, ich hab sie gesehen“, sagt Ursula Moritz aus der Lilienthalstraße 4. Die Dreharbeiten für „Wolfsland“ fanden vorige Woche schließlich schräg gegenüber statt, in der Nummer 5. „Und auch draußen auf der Straße“, berichtet die freundliche Anwohnerin. Es seien aber kaum Zuschauer da gewesen.

Der frühere Spielplatz an der Parsevalstraße (kleines Bild) soll zum Parkplatz für 40 Autos werden. Fast alle Bäume bleiben dabei erhalten.
Der frühere Spielplatz an der Parsevalstraße (kleines Bild) soll zum Parkplatz für 40 Autos werden. Fast alle Bäume bleiben dabei erhalten. © nikolaischmidt.de

Die Dreharbeiten waren einer jener seltenen Momente, in denen das Mini-Stadtviertel zwischen Zeppelin-, Lilienthal-, Parsevalstraße und Ulmenhof an die Öffentlichkeit rückt. „Hier wohnen vor allem ältere Leute“, sagt Ursula Moritz. Das sei auch kein Wunder: „Es sind ja überwiegend Zwei-Raum-Wohnungen, für Familien zu klein.“ Dann zeigt sie in den Hof. Grün ist er – und relativ ruhig, trotz der Nähe zur viel befahrenen Zeppelinstraße. Deren Häuser schirmen den Hof gut ab. Trotzdem: Leerstand gibt es in einigen Häusern.

Das bestätigt auch Arne Myckert, Chef des städtischen Großvermieters Kommwohnen, dem fast alle Häuser in dem Viertel gehören. Lediglich die zehn Einfamilienhäuser im Ulmenhof sind in privater Hand und die sechs Häuser Parsevalstraße 9 bis 19 gehören der Genossenschaft GWG. Dort stehen von 36 Wohnungen gerade mal vier leer. Bei Kommwohnen ist der Leerstand deutlich höher, vor allem in den unsanierten Häusern – und direkt an der lauten Zeppelinstraße. Auch die zwei Eckläden Lilienthalstraße 1 und 2, einst Fleischerei und Bäckerei, sind längst verlassen.

Doch Myckert hat das Problem erkannt – und überlegt, das Eckhaus Zeppelinstraße 21 sowie die Nachbarhäuser 23 und 25, die allesamt fast komplett leer stehen, zur barrierefreien Seniorenwohnanlage umzubauen – nach dem Vorbild des Frauenburgkarrees. Es soll einen gemeinsamen Aufzug geben. Und drinnen lange Gänge an der Straßenseite. Sämtliche Wohnungen hingegen sollen zum ruhigen Hof ausgerichtet werden. „Nur so finden wir Mieter“, sagt Myckert. Beschlossen sei das Ganze aber noch nicht, so gibt es auch noch keine Terminplanung: „Bisher ist das nur eine Idee, die wir diskutieren.“ Sein Vorgänger Gerd Kolley hingegen habe die Häuser an der Zeppelinstraße abreißen wollen: „Er hatte auch schon eine Genehmigung.“ Myckert habe anders entschieden, letztlich auch zugunsten der Lilienthal- und Parsevalstraße: Verschwinden nämlich die Häuser an der Zeppelinstraße, dringt der Verkehrslärm ungehindert nach dort, zerstört die Idylle. „Außerdem wollen wir keine Denkmale abreißen“, sagt Myckert. Für die einstige Fleischerei und Bäckerei hat er aber noch keine Idee: „Ich hoffe, dass sich dafür eines Tages wieder Interessenten finden.“

Einen Eingriff aber plant er schon: Auf dem früheren Spielplatz in der Parsevalstraße, der heute nur noch aus Wiese und Bäumen besteht, sollen 40 Anwohner-Parkplätze und Lademöglichkeiten für E-Autos entstehen. Dagegen gebe es unter den Mietern zwar Aufruhr, doch Myckert versucht, die Bedenken zu zerstreuen: „Wenn überhaupt, werden wir nur ganz wenige Bäume fällen.“ Es sollen sogar noch Bäume nachgepflanzt werden. Asphaltiert werden nur die zwei Mittelstreifen zum Ein- und Ausfahren: „Auf den eigentlichen Stellplätzen soll Rasen wachsen.“ Kommwohnen hat schon den Bauantrag eingereicht und hofft auf eine baldige Baugenehmigung.

Ob auch die GWG in der Parsevalstraße Pläne hat, ist unklar: Die Vorstände ließen eine Presseanfrage in der vorigen Woche unbeantwortet. Für das Rathaus ist das Mini-Viertel durchaus etwas Besonderes. „Städtebaulich hat es eine für Görlitz eher besondere Insellage außerhalb zusammenhängender Stadtteile“, sagt Hartmut Wilke vom Amt für Stadtentwicklung. Der starke Verkehr sei ein Aspekt. Zugleich sei es ein überschaubares Gebiet mit eigenständiger Identität, fußläufig guten Anbindungen an die Innenstadt wie ins Grüne sowie zu Nahversorgungsangeboten. Solange sich genug Mieter finden, sei das Gebiet erhaltenswert. Die Stadt selbst plant keine Aktivitäten in dem Viertel. Das überlässt sie den Vermietern. Und natürlich den Filmleuten schräg gegenüber von Ursula Moritz.