Herr Wunderlich, fühlen Sie sich beleidigt, wenn hunderte Jugendliche im Chor „Bullenschweine“ gröhlen?
Das hebt mich überhaupt nicht an. Zumal es von Leuten kommt, die offenbar zu faul sind, selbst etwas zu unternehmen und sich etwa im Sport abzureagieren. Aber natürlich ist das eine Beleidigung und man muss fragen, inwieweit sich der Staat das gefallen lassen soll.
Mit welcher Strategie ist die Polizei zur BRN 2003 angetreten?
Zum ersten Mal haben wir schon im Vorfeld 34 Aufenthaltsverbote ausgesprochen und 165 potenzielle Störer angeschrieben – diese Klientel ist uns vor allem von früheren Neustadt-Festen und von den Fußball-Krawallen her bekannt. Wir haben sie auf die rechtlichen Folgen hingewiesen, sollten sie erneut bei einer Randale auffällig werden.
Trotzdem haben wieder mehrere hundert Leute Zoff mit der Polizei gesucht.
Ja, aber nur am Bischofsweg. Ansammlungen von möglichen Störern haben wir zuvor aufgelöst oder zielgerichtet aus den Straßen gedrängt. So blieb ihnen nur die Fläche an der Haltestelle vor dem Alaunplatz, und wir wussten, dass diese Leute hier auf Krawall aus waren. Wir haben gezielt aktive Störer aus der Masse herausgegriffen – Leute, die mit Leuchtspurmunition geschossen, Steine oder Flaschen geworfen haben. Uns war wichtig, dass es in der ersten Nacht ruhig bleibt, damit nicht noch mehr Störer durch Medienberichte am Sonntag angezogen werden. Das ist uns gelungen.
Aber Sie haben auch 120 Chaoten ermittelt, mehr als in den letzten beiden Jahren.
Ja, das liegt jedoch daran, dass wir uns immer besser auf die BRN vorbereiten. Erst Anfang Juni haben wir vier neue Videokameras erhalten, mit Drucker und Laptop-Schnittplatz. Wir können nun Übergriffe vor Ort schneller und in einer besseren Qualität dokumentieren. Beachten Sie: Es waren nachts 1 400 Beamte im Einsatz, deutlich weniger als 2002. Nur eine Beamtin wurde leicht verletzt. 2002 hatten wir 53 verletzte Beamte und 70 Verdächtige ermittelt.
Wie lange waren die Störer im Polizeigewahrsam?
Wir haben nur ihre Identität überprüft und sie zur Sache vernommen. Die Jüngeren durften dann von ihren Eltern abgeholt werden. Da spielen sich unglaubliche Szenen ab, wenn die Mutti aufs Revier kommt und erfährt, was ihr Junge angestellt hat. Sie wollten uns das erst nicht glauben. Manchmal haben wir Fotos von ihren Kindern gezeigt. Für viele Störer ist es eine gute pädagogische Erfahrung, wenn sie ihren Eltern beichten müssen, was sie angestellt haben.
Die Staatsanwaltschaft kritisiert, dass Verdächtige nicht schon am nächsten Tag dem Haftrichter vorgeführt werden können, weil die Beweise noch nicht aufbereitet sind.
Das wissen wir. Aber der Einsatz geht vor. Unsere wichtigste Aufgabe ist die Sicherheit vor Ort. Beweise und Zeugenvernehmungen zu Einzeltätern, soweit sie nicht eine erhebliche Straftat begangenen haben – also Gewaltverbrechen wie einen versuchten Mord – müssen dann warten. Unsere Einsatzkräfte kamen aus mehreren Bundesländern und waren Montag schon wieder abgereist. Wir müssen aber jeden Beamten als Zeugen vernehmen – da dauern die Ermittlungen länger.
BRN-Mitveranstalter behaupten, Festbesucher fühlten sich bedroht, weil die Polizei so martialisch aussieht.
Also auch meine Kollegen besuchen die BRN lieber privat, als sich mit Chaoten herumzuärgern. Aber wir können uns doch nicht erst dann umziehen, wenn Gefahr im Verzug ist. Die Ausrüstung ist notwendig. Wir sind aber nicht so massiv aufgetreten, und die Helme baumelten meistens an den Gürteln. Wir haben von den Besuchern viele positive Reaktionen bekommen.
Sie haben es – bei der BRN und nach Dynamo-Fußballspielen – immer öfter mit Landfriedensbruch zu tun. Was ist das Besondere daran?
In diesen Fällen handeln Straftäter sehr spontan, oft alkoholisiert. Sie glauben, sich in der Masse verstecken zu können, aus der heraus sie aktiv werden. Als Täter haben wir es jetzt häufiger mit „Baby-Hools“ zu tun – sehr viele dieser Jugendlichen waren uns noch nicht aufgefallen. Aber auch ältere Familienväter sind darunter, mit Hemd und Binder. Wir haben ihnen gezeigt, dass das Untertauchen in der Masse nicht mehr funktioniert.
Demnächst beginnt die Regionalliga-Saison. Wie bereiten Sie sich auf die Fußballspiele und die „dritte Halbzeit“ vor?
Nach wie vor lehnen wir Brisanz-Spiele ab, wenn sie in der Dunkelheit stattfinden sollen. Unsere szenekundigen Beamten werden verstärkt auch mit zu Auswärtsspielen fahren. Außerdem ist die „Soko Randale“ dabei. Und wir werden unsere Kameras auch auswärts mitlaufen lassen – das hat einen präventiven Charakter.
Interview: Alexander Schneider