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Das verwaiste Einkaufscenter

Toilettenpapier ausverkauft – Kunden zu Hause. In Zeiten von Corona müssen sich viele Dinge völlig neu einspielen.

Von Anja Weber
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Kaum Kundschaft im Einkaufspark in Sebnitz-Hainersdorf. Vor allem Senioren bleiben wohl aus Sicherheitsgründen lieber zu Hause.
Kaum Kundschaft im Einkaufspark in Sebnitz-Hainersdorf. Vor allem Senioren bleiben wohl aus Sicherheitsgründen lieber zu Hause. © Tom Weber

Tag Eins nach dem vorläufigen Shutdown im Einkaufspark Sebnitz-Hainersdorf. Am späten Vormittag herrscht hier sonst reger Betrieb. Jetzt, fast ausgestorben, kaum Fahrzeuge, kaum Kunden. Nur Netto und Rossmann sowie der Getränkemarkt dürfen öffnen. Auch der Imbiss Am Sebnitzbach versorgt über den Mittag seine Kunden. Dort ist die Stimmung gedrückt. Sonst würden viele ältere Menschen kommen. Doch die blieben wegen des Ansteckungsrisikos zu Hause. Dennoch hoffe man, dass vor allem die Stammkunden die Treue halten und weiter in dem Imbiss ihr Essen holen. Der Blumenladen daneben hat seine Schotten dichtgemacht, obwohl er noch öffnen dürfte. Vermutlich aus Gründen der persönlichen Sicherheit. Hier werden aber Bestellungen telefonisch entgegengenommen.

Auch bei Rossmann ist um diese Zeit wenig los, obwohl doch jeder von Hamsterkäufen spricht. Aber die begehrtesten Waren wie Toilettenpapier, Küchenrollen und Papiertaschentücher sind eh ausverkauft. Nachschub ist zwar geordert. Doch da es deutschlandweit generell knapp aussieht, dürfte es auch noch eine Weile dauern, bis Nachschub kommt. Noch in großer Auswahl vorhanden sind übrigens Windeln, Baby- und Kindernahrung.

Aus hygienischen Gründen bleiben bei Rossmann die Fototerminals außer Betrieb. Und da sich auch die Seifenregale leeren, wird der Kunde darauf hingewiesen, nur drei Produkte zu kaufen. Kerstin Winter steht kopfschüttelnd vor den sich leerenden Regalreihen. Sie hat das Ganze in den letzten Tagen verfolgt. „Noch am Dienstag sah es hier voller aus. Aber ich glaube, einer steckt den anderen mit Hamsterkäufen an. Der Handel freut sich natürlich“, vermutet sie. Und mit einem Blick um die Ecke verweist sie auf die beiden Bekleidungsmärkte Kik und Ernstings. Die mussten schließen. „Das kurbelt das Online-Geschäft so richtig an“, sagt sie kopfschüttelnd.

Generell herrscht großes Unverständnis darüber, das solche Geschäfte, wo die Kunden auch sonst nicht dicht an dicht stehen, schließen mussten. Neu ist, dass die Kunden generell aufgefordert werden, lieber mit der Geldkarte zu bezahlen. Zur Sicherheit tragen die Verkäuferinnen Handschuhe. Das können einige Kunden nicht verstehen, wie eine Seniorin. „Ich hebe doch am Monatsanfang meine Rente ab. Ich zahle nie mit Karte“, schimpft sie. Auch sie wird sich wohl umstellen müssen.

Ansonsten bleiben die Kunden gelassen, trotz großer Löcher in Regalen. Manche nehmen es mit Humor. „Ich komme jeden Tag vorbei, um zu sehen, welche Artikel inzwischen ausverkauft sind. Es ist schon interessant, was in den Köpfen mancher Leute so vorgeht“, sagt Werner Pfeifer eher belustigt.

Ein ähnliches Bild zeigt sich im Drogeriemarkt in Bad Schandau. Dort sind die Regale mit den Zellstoffprodukten am Donnerstagmittag komplett leergeräumt: Klopapier, Taschentücher, Küchenrolle – alles weg. Nur zwei Packungen mit Hämorrhoiden-Salbe baumeln einsam am Regal. Die ist dafür laut Aufschrift „dreifach wirksam“. Am nächsten Morgen soll neues Toilettenpapier kommen. „Ich kann aber nicht sagen, wie lange das reicht“, sagt die Verkäuferin und hebt die Schultern. Der Drogeriemarkt hat die Menge schon auf eine Packung pro Einkäufer rationiert. Es hilft nichts. „Als wär ein Krieg ausgebrochen“, sagt ein Endvierziger beim Anblick des ebenfalls leeren Mehl-Regals zu seiner Begleiterin. Sie schüttelt nur mit dem Kopf.

Im Lidl nebenan stehen die Riesaer Nudeln gleich am Eingang palettenweise. Sämtliche Regale sind prall gefüllt. Reis, Nudeln, Küchenrolle – alle Hamsterware da. Nur das Klopapier, das fehlt auch hier. Am Kassenband kommt ein freundlicher Hinweis der Kassiererin: „Bitte zu ihrer eigenen Sicherheit und der der anderen die Abstände, die unten eingezeichnet sind, einhalten.“ Auf dem Fliesenboden kleben Streifen, welche die nötigen zwei Meter markieren.

Im und am Kaufland in Neustadt geht es gemächlicher als gewohnt zu. Zu hamstern gibt es nicht mehr viel. 
Im und am Kaufland in Neustadt geht es gemächlicher als gewohnt zu. Zu hamstern gibt es nicht mehr viel.  © Tom Weber

Vergleichsweise gesittet geht es im Kaufland in Neustadt zu. Hier werden die Einkaufskörbe eigentlich voll bepackt aus den Ladentüren geschoben. Die Wagen sind zwar bei vielen immer noch voll. Aber die Waren türmen sich nicht mehr, und pro Familie reicht plötzlich wieder ein Einkaufswagen – und nicht drei. Kaufland und so auch die Filiale in Neustadt haben den Hamsterkäufen ganz einfach einen Riegel vorgeschoben.

Aller fünf Minuten werden die Kunden mit einer Durchsage konfrontiert, besser mit einer klaren Ansage einer freundlichen, aber bestimmten Frauenstimme: „Verzichten sie möglichst auf unnötige Bevorratung. Bezahlen sie möglichst mit Karte anstatt bar. Bitte den Mindestabstand von zwei Metern an der Kasse einhalten. Bitte die Kennzeichnung beachten. Die Kassiererinnen haben Anweisung, die Einkäufe zu kontrollieren und gegebenenfalls zu kürzen.“ Das zeigt Wirkung.

Die Regale mit haltbaren Nahrungsmitteln sind leer. Verstohlen greift eine Frau nach der letzten Büchse Erbsensuppe. „Ein Hamsterkauf ist das nicht. Ich hätte nie gedacht, dass ich leere Regale in einem Einkaufsmarkt noch einmal erleben muss“, sagt sie. Gehamstert wurde in den letzten Tagen reichlich. Doch inzwischen traut sich das hier keiner mehr. Scheint rigoros, ist aber wohl die vernünftigste Entscheidung der Kaufland-Führung, bestätigt eine Verkäuferin. Solche verrückten Tage hätte sie in ihrem Berufsleben noch nie gehabt. Aber wann die nächste Ladung von dem derzeit offenbar heiß begehrten Toilettenpapier kommt, weiß auch sie nicht.

In Richtung Kasse wird es dichter. Nicht jeder achtet hier auf Sicherheit, obwohl ja eigentlich schon der Abstand durch die Einkaufswagen gewahrt werden könnte. Da wird auch geschnieft und gehustet. Etwas unwohl fühlt man sich schon. Direkt vor der Kasse ist dann mit roten Strichen geklärt, wer wo stehen muss. Aber dass man möglichst mit Karte bezahlen sollte, haben auch hier viele noch nicht verstanden. Sicherlich muss auch da erst noch ein Umdenken einsetzen.

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