Von Kathrin Krüger-Mlaouhia
Ein Urwald gleich hinter der Feuerwehr. Wer würde das mitten in der Großenhainer Innenstadt erwarten? Und doch liegen 6000 Quadratmeter bestes Bauland hier brach. Man vermutet es nur nicht. Denn davor an der Schillerstraße 5 fesselt eher ein Ruinengebäude des Betrachters Auge. Dort ist jetzt schon der Fußweg abgesperrt. Dachziegel drohen von dem fensterlosen Haus herabzustürzen. Das weite Grundstück dahinter versteckt sich hinter hohen Mauern, dort wuchert viel Grün üppig vor sich hin. Es ist kurios: Das innerstädtische Bauland ist im städtebaulichen Entwicklungskonzept von 2007 nicht verzeichnet. Nicht mal ein sogenanntes Nachverdichtungspotenzial – wo Lückenbebauung möglich ist – wird dem Areal an der Schillerstraße dort zugebilligt. Der Grund könnte simpel sein: Das Gebiet gehört einer Familie in der Nähe von Stuttgart.

Kein Überfahrtsrecht
Noch vor der Wende gingen Elke und Ulrich Arnold von Großenhain aus in den Westen. Im schwäbischen Ebersbach betreiben sie heute einen Handwerksbetrieb für Heizung, Sanitär und Fliesen. Nach der Wende kamen Arnolds nach Großenhain zurück und kauften die ehemalige Gärtnerei Weser an der Schillerstraße. Dieses Grundstück und die Häuser Schillerstraße 5 und 9 gehören der Familie. Als Ende der 1990er Jahre das neue Feuerwehrhaus in der Nachbarschaft entstand, wollte Familie Arnold die Brachfläche schon als Bauland in guter Wohnlage entwickeln.
„Fünf bis zehn Eigenheime könnten hier entstehen, wir wollten Parkplätze schaffen und das Grundstück ordentlich entwickeln“, sagt Elke Arnold der SZ. Doch zum Problem wurde die Grundstückszufahrt. Von der Schillerstraße aus, die damals noch Bundesstraße war, war eine Einfahrt nicht möglich. Also beantragten die Arnolds hinter der entstehenden Feuerwehr ein Überfahrtsrecht bei der Stadt Großenhain. Doch das wurde nicht gewährt. „Da ging kein Weg rein, das haben 1997 noch die alten Seilschaften verhindert“, behauptet Elke Arnold. Die Stadtverwaltung äußerte sich zu dem Punkt gestern nicht.
Ruinenhaus bewusst verfallen lassen
15 Jahre sind seitdem ins Land gegangen. Aus Protest gegen ihre torpedierten Pläne ließen die Arnolds die Schillerstraße 5 zur Ruine verkommen. Durch die Lage drückt Feuchtigkeit ins Nachbarhaus, sagt ein Anwohner. Die Erdgeschosswohnung in der Schillerstraße 7 ist derzeit nicht bewohnt.
Die Stadtverwaltung biss ihrerseits auf Granit, als sie nicht nur das marode Gebäude erwerben und im Fördergebiet Äußerer Stadtring als nachhaltige Stadtentwicklung abreißen wollte. „Wir möchten unser Grundstück aber selbst bebauen, denn Bauland ist wieder gefragt in Großenhain“, so die Arnolds. Das Geschäft mit dem guten Grundstückspreis von bis zu 90 Euro pro Quadratmeter wollen die ehemaligen Großenhainer, die hier mehrere Grundstücke haben, allein machen. Glaser Hans Kneschke von der Schillerstraße 15 zum Beispiel wollte sein Grundstück verkaufen und sich ein kleines Häuschen im möglichen Baugebiet der Arnolds anschaffen. „Ich hoffe, dass das zu meinen Lebzeiten noch was wird“, sagt der Rentner.
Im Flächennutzungsplan Großenhains sind die Flächen nördlich der Schillerstraße als Wohnbaufläche dargestellt. „Der rückwärtige nördliche Bereich des Grundstücks Schillerstraße 5 liegt laut Baugesetzbuch im Außenbereich. Der südliche, mit dem ruinösen Gebäude liegt im Innenbereich“, argumentiert die Stadt. Daraus folge, dass für eine Bebauung des nördlichen Grundstücksbereichs die Aufstellung eines Bebauungsplanes erforderlich ist. Ein solcher Bebauungsplan kläre dann auch die Erschließung, zum Beispiel die Zufahrten, für das neue Baugebiet. Dieser Bebauungsplan habe weder 1997 vorgelegen, noch liege er heute vor. Die Stadt hätte ihn aufstellen müssen. Für andere Projekte war das anstandslos möglich. Die letzte Aktivität seitens der Stadt in der Sache ist datiert vom Januar 2013. Familie Arnold wurde die Möglichkeit erläutert, Fördermittel für den Abbruch des ruinösen Gebäudes Schillerstraße 5 in Anspruch zu nehmen. „Herr Arnold hatte sich hierzu nicht geäußert und diesbezüglich auch keinen Kontakt mit der Stadt aufgenommen“, heißt es aus dem Rathaus. Das lässt sich leicht erklären, denn die Stadt unterstützt keinen Arnold-Bebauungsplan, sondern will das Bauland selbst nutzen. Denn sie hat ein Problem. Das Gerätehaus der Feuerwehr ist seit jeher zu klein. Eine Scheune wird zugemietet. Das Großenhainer Rathaus will deshalb anbauen. Just auf der Fläche vor dem Pfiffikus, die Arnolds gehört. Außerdem läuft das Förderprogramm für den Äußeren Stadtring in diesem Jahr aus. Zuschüsse müssten, wenn überhaupt noch, rasch beantragt werden.
In das Konzept Stadtumbaugebiet Äußerer Stadtring (2012-2020) wurde das Ziel der Erweiterung des Feuerwehrstandortes aufgenommen. Das hat sogar der Stadtrat vorigen November beschlossen. „Das Konzept ist eine langfristig angelegte Arbeitsgrundlage“, so Stadtsprecherin Schulz.
Familie Arnold bekam stattdessen Post vom Landratsamt. Dort standen Auflagen zur Sicherung der Ruine Schillerstraße 5 drin. Eine Einigung mit der Stadtverwaltung scheint damit in weiter Ferne. „Ob es gelingt, werden wir in Zukunft sehen“, sagt Elke Arnold gegenüber der SZ noch optimistisch. Nur eines ist klar: Das Ruinenhaus muss abgerissen werden. Oder es fällt einmal von selber ein.