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Das Wasser ist da, wo es nicht sein sollte

Am Nachmittag stand der Fluss in den ersten Kellern, Straßen wurden gesperrt. Die Anwohner trugen es mit Gelassenheit.

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© Arvid Müller

Von Susanne Plecher

Die Seiten der Hochwasserportale sind überlastet, eine Information über das Internet ist kaum möglich. Was man erfährt, weiß man über Videotext, Radio oder von der Verwaltung. „Es wird immer schlimmer“, sagt die Ebersbacher Bürgermeisterin Margot Fehrmann am Nachmittag nach einem Krisenstab mit den Wehren der Ortsteile, die entlang der Röder Stützpunkte eingerichtet haben. Alle verfügbaren Kameraden und viele Anwohner sind im Einsatz, füllen Sandsäcke, richten Pumpen ein. Der Pegel der Röder steigt unaufhörlich.

Kameraden von der Reinersdorfer Wehr versuchen, das Grundstück von Thomas Kaiser in Cunnersdorf zu schützen.
Kameraden von der Reinersdorfer Wehr versuchen, das Grundstück von Thomas Kaiser in Cunnersdorf zu schützen. © Arvid Müller
Schon am zeitigen Nachmittag war auf der Cunnersdorfer Straße in Bieberach mit dem Auto kein Durchkommen mehr. Anwohner hatten eine Pumpe installiert, um das Röderwasser zurück in das Bett zu pumpen.Fotos: Arvid Müller
Schon am zeitigen Nachmittag war auf der Cunnersdorfer Straße in Bieberach mit dem Auto kein Durchkommen mehr. Anwohner hatten eine Pumpe installiert, um das Röderwasser zurück in das Bett zu pumpen.Fotos: Arvid Müller © Arvid Müller

„Gegen Mitternacht wird er wohl den Scheitel erreichen“, sagt Uwe Behrisch. Er ist Wehrleiter der Kalkreuther Feuerwehr und selbst betroffen. Behrisch wohnt in der alten Mühle am Kalkreuther Mühlgraben und füllt gemeinsam mit Nachbarn und einigen Kameraden Sandsäcke. Sie sollen den Damm stabilisieren, der nach der Flut von 2010 mit Sandsäcken erhöht wurde. „Der Damm hält. Die Frage ist, ob er von der Höhe her reicht“, sagt er. Hinter Behrischs Grundstück rauscht die Röder vorbei. Was sie in den Mühlgraben drückt, stand vor drei Jahren auch in seinem Hausflur. Er habe Hoffnung, sagt er, dass es dieses Mal nicht so schlimm wird.

In Bieberach fischt Martin Ehrlich Schlamm von der Pumpe auf der Cunnersdorfer Straße. Seit den frühen Nachmittagsstunden darf hier niemand mehr durch. Wasser drückt durch die Gullis hoch. Die Pumpe steht nur noch pro forma, ausrichten kann sie nichts. „Das ist das vierte Hochwasser innerhalb von zehn Jahren“, sagt er. 2010 stand das Wasser in seinem Keller, nun hat er vorgesorgt. Mit Pumpen hilft sich auch Andreas Walther im benachbarten Cunnersdorf. In seinem Vorratskeller steht das Wasser zehn Zentimeter hoch. „Wenn ich nicht pumpe, dann läuft der heute Nacht voll“, sagt er. Seine Schafe blöken nervös. Sie spüren die Gefahr. Die Pferde hat er schon auf eine Weide hinter dem Dorf getrieben. Jetzt muss er erstmal Kühlschrank und Wohnzimmermöbel sichern. Die Röder ist ein regelmäßiger Gast in Walthers Haus.

Auf der Langen Straße steht das Wasser bis knapp unterm Knie. Mit einem Tieflader fahren Kameraden von der Reinersdorfer Wehr durch die braune Brühe. Sie bringen Sandsäcke zu Thomas Kaiser. 2010 hatte es ihn besonders schwer getroffen. Nun flutet der Fluss schon wieder sein Grundstück. Wortkarg schichtet er die Säcke am Ufer auf, das nun quer durch den Garten geht. Er hat sie über die Feuerwehr geordert, auch am Bauhof liegen Säcke zur Abholung bereit. Kaisers Nachbar, Gerhard John, hat die liebsten und teuersten Stücke aus Schuppen und Garage geräumt, auch der Rasenmäher musste umziehen. Direkt hinter seinem Gartenzaun steht jetzt ein Seitenarm der Röder. Normalerweise führt der 30 Zentimeter Wasser, jetzt ist er vielleicht zwei Meter hoch. Trotzdem bleibt John gelassen. Ändern kann man ohnehin nichts. Ich habe Vertrauen, dass es nicht mehr viel höher steigt“, sagt er.

Katrin Schöne von der Landestalsperrenverwaltung kann etwas beruhigen. „Der große Speicher Radeburg II hat noch relativ viel Platz.“ Der kleine ist schon lange voll, aber im großen ist der Hochwasserrückhalteraum „noch nicht mal zu einem Viertel ausgelastet“, sagt sie. Gut drei Millionen Kubikmeter Wasser haben darin noch Platz. Erst wenn der voll ist, fließen die Mengen, die in die Sperre hineingetragen werden, ungehindert wieder hinaus.

Rödern hat ein großes Auslaufgebiet, ist mit seinen breiten unbebauten Auen für ein Hochwasser gut gewappnet. „Prekär wird es dort, wo sich alles verengt“, so Margot Fehrmann. In Freitelsdorf ist es schon gegen 16 Uhr so eng, dass keiner mehr ins Dorf reinkommt. Die Straße ist gesperrt.

Auch die Heidelache, die durch Ebersbach fließt, führt Hochwasser und überschwemmt Wiesen. In Beiersdorf trat der Hopfenbach über die Ufer und kommt nahe an die Gehöfte heran. Die Talsperre Nauleis, die derzeit eigentlich wegen Bauarbeiten abgelassen ist, ist zur Hälfte vollgelaufen. Die Regulierungsfunktion für den Bach ist eingeschränkt.

„Die Lage“, so der Schönfelder Bürgermeister Hans-Joachim Weigel, „ist bei uns noch nicht dramatisch, aber grenzwertig.“ Zwar waren die Ortswehren von Schönfeld und Linz vorgestern Nacht zum Katastropheneinsatz in Nossen, aber zu Hause herrscht keine direkte Gefahr. Sämtliche Stauwerke und Ablaufbauwerke werden von Hand reguliert und regelmäßig abgefahren. Die Gemeinde steht in ständiger Verbindung mit Teichwirten und Pächtern. „Sie sind alle involviert “, so Weigel. Der Schäferteich wird geregelt abgelassen, so dass er Stauraum für neues Wasser bietet. Unaufhörlich drückt es auch von den umliegenden Feldern in den Ort. Das Goldgrubenwasser, ein sonst unauffälliger Entwässerungsgraben, ist auf eine Breite von acht Metern angeschwollen. 1000 Sandsäcke hat der Landkreis zur Verfügung gestellt, Bürgermeister Weigel hat eine Lkw-Ladung Sand organisiert. Die Säcke liegen zur Selbstabholung oder Auslieferung am Bauhof bereit. „Wer in Not gerät, kann uns anrufen“, so Weigel. Auf Behinderung müssen sich Autofahrer an der Schönfelder Straße Richtung Liega einstellen. Dort baut die Gemeinde Warnbaken auf, weil Wasser die Straße überspült. Zu einem ersten Schaden kam es am Linzer Friedhof. Dort ist eine Stützmauer eingestürzt. Ein Hang, der ins Rutschen kam, hat sie und einen Grabstein umgerissen.