Finn ist gerade nicht unbedingt das, was man ein aufgewecktes Kind nennen würde. Er schlummert im Kinderwagen. Vorsichtig macht ihn seine Mutter fürs Foto wach. „Er schläft durch“, sagt Jasmin Helmeke aus der Hoyerswerdaer Neustadt. Ihr Sohn ist wahrscheinlich der erste Hoyerswerdaer, dessen Geburt man europaweit im Fernsehen mitverfolgen konnte. Zu sehen war sie jetzt zweimal in der Reihe „Teeniemütter – Wenn Kinder Kinder kriegen“ bei RTL II. Zuletzt gestern Abend.
Es ist nicht so, dass Jasmin Helmeke keine Resonanz darauf gehabt hätte. „Es war unterschiedlich. Viele fanden es toll, manche nicht so“, sagt die 19-Jährige. Und: Eine ganze Reihe der Kommentare zur Fernsehgeburt kam von Leuten, die sie vorher nicht kannte – nämlich über Facebook. „Internet ist schon mein Ding, Fernsehen auch“, sagt Jasmin Helmeke.
Absprachen mit dem Klinikum
Vielleicht ist der Umstand, dass sie sich bei ihrer ersten Geburt filmen ließ, auch einfach Ausdruck des Zeitgeistes. Immer weniger Momente im Leben sind unbeobachtet und nicht fotografiert, gefilmt oder im Netz kommentiert. Im Magazin „Time“ etwa ist zu lesen, dass Familien vor 50 Jahren in der Regel drei Fotos im Haus hängen hatten: Schule, Hochzeit und vielleicht eines vom Militär. „Heute stellt die Durchschnittsfamilie 85 Bilder von sich und ihren Haustieren aus“, schreibt Autor Joel Stein.
„Viele meinten, es wäre ihnen zu privat“, sagt Jasmin Helmeke über die Kritik am Dreh im Kreißsaal. Sie sagt auch, sie habe sich vorher eigentlich kaum Gedanken darüber gemacht, dass Gebärende nicht unbedingt filmreif aussehen oder es medizinische Komplikationen geben könnte. Das Honorar sei nicht ausschlaggebend gewesen: „Ich habe erst hinterher erfahren, wie viel das sein würde.“ Mehr will sie dazu nicht sagen. Die Überlegung sei eine andere gewesen: Sie und ihre Mutter mögen die Sendung. Dazu habe sie nun auch noch eine schöne filmische Zusammenfassung von der Geburt des ersten Kindes und dem Einzug in die erste eigene Wohnung. So sehen sie das.
Und: Es gab laut Klinikum, wo Finn im Februar zur Welt kam, vorher durchaus Absprachen, was man aus welcher Perspektive filmen kann und was besser nicht. „Bei Jasmin sieht man, dass sie eine Familie hat, die sie unterstützt“, sagt ihr Freund Patrick Dopatka. Von Finns Vater hat sich Jasmin getrennt. Von vielen Fernsehzuschauern höre sie Positives, sagt sie. „Viele finden mein gutes Verhältnis zu meiner Mutti toll. Andere haben gelobt, dass ich gut tanzen und malen kann.“
Es war 1968, als der Maler Andy Warhol sagte, in der Medienwelt könne künftig „jeder für 15 Minuten weltberühmt sein“. Jasmin Helmeke hat den Satz nie gehört. Er passt inzwischen trotzdem irgendwie zur Lebenswirklichkeit ihrer Generation – der zwischen 1980 und 2000 geborenen „Millennials“. Sie hätten, so Stein, auf Facebook, Youtube, Twitter oder Instagram, also im Web, inzwischen so etwas wie eigene Mini-Berühmtheiten, „Micro-Celebreties.
Vielen aus den Generationen vorher kommt das fremd vor. „Ich schicke meine Patientinnen nicht ins Fernsehen, sondern höchstens zur Fürsorge“, sagt etwa ein Hoyerswerdaer Gynäkologe, der die Zusammenarbeit mit RTL II abgelehnt hat.
Jasmin Helmeke muss lächeln, wenn sie das hört. Natürlich sei sie bei der Schwangerschaftsberatung des Roten Kreuzes im Einsteinhaus gewesen und das habe ohne Zweifel auch sehr geholfen. Aber im Internet, sagt sie, sei es eben ziemlich einfach, andere junge Mütter zu finden, die in ganz ähnlichen Problemlagen stecken wie sie selbst.