Von Daniela Pfeiffer
Vielleicht hat Görlitz ihm seine Entwicklung zur Filmstadt zu verdanken: Markus Bensch. Der Osnabrücker arbeitet für das Filmstudio Babelsberg und ist seit Jahren in Deutschland auf Drehort-Suche. Unter anderem hat er die geeigneten Orte für „Die Bourne Verschwörung“ oder „Enemy at the Gates“ gefunden. 2003 hat er Görlitz als Filmstadt für Hollywood entdeckt – brachte „In 80 Tagen um die Welt“ oder „Der Vorleser“ hierher. Seitdem läuft es für die Neißestadt wie geschmiert. Vor allem in diesem Jahr: Nach „The Grand Budapest Hotel“ werden nach Ostern einige Szenen für „Die Bücherdiebin“ gedreht. Und es wird 2013 noch mindestens ein weiteres großes Hollywoodprojekt geben, wie Markus Bensch im SZ-Gespräch sagt.

Herr Bensch, welcher Eindruck ist Ihnen von Ihrem ersten Görlitz-Besuch in Erinnerung geblieben?
Ich war gerade auf Motivsuche für „In 80 Tagen um die Welt“, und ein Kollege brachte mich auf die Idee, es mal in Görlitz zu versuchen. Er kannte die Stadt noch von früher – als sie noch nicht saniert war. Als ich durch die Straßen lief, dachte ich nur: Dass es so etwas Schönes in Deutschland gibt! Und es war übrigens auch das gute Essen in Görlitz, was mir sofort auffiel.
Das Essen?
Ja, Leckeres Essen darf man im Filmgeschäft nicht unterschätzen. Wenn man mit ausländischen Gästen essen geht, ist das immer auch ein bisschen Glücksspiel. In Görlitz stimmte alles. Leider gibt es das Restaurant „Le Trou“, von dem wir damals so begeistert waren, heute nicht mehr. Dafür aber andere sehr gute Restaurants.
Was, außer dem Essen, hat Sie denn noch derart umgehauen, dass Sie seitdem immer wieder Filmprojekte in die Stadt bringen?
Natürlich die Architektur. Dadurch, dass Görlitz erst so spät saniert wurde, hat es hier viele Fehler nicht gegeben, die andere in den 1970er und 1980er Jahren gemacht haben. Da wurde häufig übersaniert. Häuser bekamen Fenster mit Plastikrahmen, solche Dinge eben. Weil Görlitz noch so unverfälscht war, war es nur eine Frage der Zeit, bis es als Filmstadt wiederentdeckt wird. Denn Filmstadt war Görlitz früher schon. Abgesehen davon, sind wir immer wieder von der Hilfsbereitschaft der Görlitzer beeindruckt. Das betrifft sowohl das Rathaus, als auch die Bürger. Es ist nicht selbstverständlich, dass sie bereitwillig drei Tage lang auf ihre Straßenbahn verzichten, nur weil wir „Der Vorleser“ drehen wollen.
Auch in Berlin werden viele historische Stoffe verfilmt, vor allem aus dem Zweiten Weltkrieg. Was unterscheidet die Drehorte Görlitz und Berlin?
Es ist zunächst mal die Anzahl der Geschosse der Häuser. Die Gebäude in Berlin sind im Wesentlichen alle größer. Dreht man in der Görlitzer Altstadt, sieht man ganz klar, dass es eben nicht Berlin ist. Zudem hat Görlitz keine Außen- oder Neonwerbung, ist farblich durchgängig und sieht deshalb eher nach Kleinstadt aus.
Treffen Sie immer genau den Nerv der Produzenten aus Hollywood?
Ich hoffe schon. Wir haben uns mittlerweile ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Wenn ich denen sage: Das ist das Beste, was Ihr in Deutschland bekommen könnt, glauben sie es. Manche Produzenten werfen uns mittlerweile vor, wir würden immer nur Görlitz vorschlagen. Wenn sie es dann aber sehen, kommen sie selber drauf, dass es eben am schönsten ist.
Was die schon im Vorfeld diskutierte Nazi-Szene in „Die Bücherdiebin“ betrifft, so hat sich Babelsberg für Görlitz als Drehort entschieden. Warum?
Ohne anderen Städten Unrecht antun zu wollen: Entscheidend war für uns, dass es in Görlitz eben kein Neonazi-Problem gibt. Zumindest ist mir noch keins aufgefallen, und ich bin oft tage- oder wochenlang hier. Das macht es für uns extrem angenehm, hier zu arbeiten. Wir werden für „Die Bücherdiebin“ tatsächlich eine Szene drehen, in der Nazis Bücher verbrennen. Gerade weil die Görlitzer so weltoffen sind, können wir hier relativ problemlos Hitlers Fahnen aufhängen, ohne dass gleich die Rechtsradikalen kommen und sich darüber freuen. Ich sehe uns Deutsche da übrigens auch in der Pflicht, gerade bei der Verfilmung eines so bewegenden und aufklärerischen Jugendbuchs wie der „Bücherdiebin“ der Welt zu zeigen, dass es so etwas hier in Deutschland nie wieder geben darf. Und wenn das heißt, dass wir für einen Film kurzfristig den Schrecken der Nazizeit wieder sichtbar machen müssen, dann heiligen für mich die Mittel den Zweck.
Wie lange werden die Fahnen hängen?
Insgesamt werden wir etwa eine Woche in Görlitz arbeiten. Das heißt aber nicht, dass der Untermarkt so lange beflaggt sein wird. Wir werden das erst in letzter Minute vor dem Dreh sichtbar machen und den Platz auch nicht herrenlos in voller Nazibeflaggung lassen. In Berlin haben wir für „Operation Walküre“ sogar das Finanzministerium und das Messegelände mit Hakenkreuzfahnen ausgestattet. Da hat es auch keine Probleme gegeben.
Werden Sie mit den Anwohnern nochmal ins Gespräch kommen, aus deren Fenstern die Fahnen ja hängen sollen?
Natürlich. Wir haben über Handzettel bereits eine erste Information vorgenommen. Darin steht noch nichts Konkretes über die Szene. Wir wollen und können solch eine sensible Szene nur mit dem guten Willen der Görlitzer realisieren. Wir werden nochmals mit allen Betroffenen das Gespräch suchen. Ich bin mir sicher, wir werden eine einvernehmliche Lösung finden.
Auch diese Szene spielt wie so viele am Untermarkt. Ist dieses Motiv nicht langsam überstrapaziert?
In der Tat drehen wir immer wieder gerne dort. „Goethe“, „Inglourious Basterds“, „In 80 Tagen um die Welt“, „Die Vermessung der Welt“, „The Grand Budapest Hotel“, all diese Filme haben Szenen am Untermarkt. Aber immer an anderen Standpunkten und mit so unterschiedlicher Kulisse, dass kaum auffallen dürfte, dass es immer wieder derselbe Ort ist.
Welche Zukunft sehen Sie für die Filmstadt Görlitz?
Wir wollen die Gastfreundschaft der Görlitzer natürlich nicht überstrapazieren. Aber ich denke schon, dass wir immer mal wieder mit neuen Projekten in die Stadt kommen werden. Ganz konkret ist bereits für Herbst wieder eine größere und längere Sache geplant. Ich kann so viel verraten: Es ist wieder ein historischer Stoff und wieder Hollywood.