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DDR-Filme für Corona-Zeiten

Nicht nur für Kurzdenker, die sich durch Krisenmaßnahmen gleich an die DDR erinnert fühlen: Defa-Dokfilme über den Alltag eines vergangenen Landes.

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Ein Klassiker des DDR-Dokuemtarfilms: In "Die Kinder von Golzow" und "Rückkehr nach Golzow" begleiteten die Filmemacher Barbara und Winfried Junge Heranwachsende eines Dorfes über Jahrzehnte hinweg.
Ein Klassiker des DDR-Dokuemtarfilms: In "Die Kinder von Golzow" und "Rückkehr nach Golzow" begleiteten die Filmemacher Barbara und Winfried Junge Heranwachsende eines Dorfes über Jahrzehnte hinweg. © absolut Medien

Von Andreas Körner

In Zeiten wie diesen, wo im Fernsehen hornalte Fußballspiele laufen und im Radio Themen „von früher“ Beachtung finden, über die man für gewöhnlich gar nicht mehr gesprochen hätte, lohnt in jedem Falle auch der neuerliche Blick auf Filme, die DDR-Alltag reflektieren. Vielleicht ist gerade jetzt die Zeit reif dafür, sich durch 392 Minuten Studentenwerke, 550 Seiten Begleitmaterial zu Dok-Streifen des Ehepaars Barbara und Winfried Junge zu graben oder Volker Koepps „Wittstock Zyklus“ noch mal anders zu sehen - immerhin fast sieben Stunden samt Bonus.

Das Label Absolut Medien arbeitet auf vorzügliche Weise das Erbe jenes Landes auf, das vor bald 30 Jahren verschwunden ist. Das vor allem aber existiert hat – mit willfährigen wie kämpfenden, braven wie energischen, aufstrebenden jungen wie auslaufenden alten „Modellen“ weiblicher und männlicher Regisseure. Ausgewählte Spielfilme sind hier im Portfolio, speziell hat sich Absolut Medien jedoch aufs Dokumentarische spezialisiert. Mit Stoffen, die Zeitgeschichte nicht nur atmen, sondern für Momente die Luft anhalten lassen konnten. Filme sind es, die wie geschaffen sind, um sie Eltern und Großeltern zu offerieren, damit sie etwas zu zeigen haben, wenn die Kinder und Enkel mal wieder fragen, wie es damals war. Allem ästhetischen Fremdeln zum Trotz.

Seit sie 16 ist, arbeitet Elsbeth im VEB Obertrikotagenbetrieb und kümmert sich dort um die Qualitätskontrolle -- bis die Wende kommt und der Betrieb untergeht. Szenenfoto aus: „Der Wittstock-Zyklus“
Seit sie 16 ist, arbeitet Elsbeth im VEB Obertrikotagenbetrieb und kümmert sich dort um die Qualitätskontrolle -- bis die Wende kommt und der Betrieb untergeht. Szenenfoto aus: „Der Wittstock-Zyklus“ © absolut Medien

Noch frisch im Sortiment sind drei Editionen. „Babelsberger Freiheiten“ nennt sich eine davon. Filme der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ aus den Jahren 1957 bis 1990 sind zu sehen. Die HFF war ein Ort, der Grenzbereiche ausloten konnte, abhängig von Professoren und der jeweiligen Führung. Ex-Student Andreas Dresen schwärmt noch heute vom Mut eines Lothar Biskys, der von 1986 bis 1990 Rektor war und Gravierendes ermöglicht hat. Auch im freien Denken. Dresen gehört zu den 20 HFF-Absolventen, die auf der Doppel-DVD mit einem Kurzfilm vertreten sind, neben unter anderem Peter Kahane, Volker Heise, Helke Misselwitz und Volker Koepp.

Apropos: Vom bis heute umtriebigen Koepp (75) stammt auch die Langzeitbeobachtung dreier Arbeiterinnen des einstigen VEB Obertrikotagen in Wittstock an der Dosse. Langzeit heißt von 1975 bis 1997, einmal für neun Jahre, später für fünf. Volker Koepp war im besten Sinne Begleiter. Dann, als es für die Mädchen schön war und „normal“, dann wenn sie als Frauen in die Wende kippen und sich ihre Träume am Realen messen lassen müssen.

Mit Langzeitbeobachtungen kennen sich auch Barbara und Winfried Junge aus. Sie ist heute 76, er wird 85. Beide stehen für eine legendäre Studie, die wohl jeder ernste Cineast schon als laufenden VHS-Meter im Regal haben dürfte: „Die Kinder von Golzow“, 20 Filme, entstanden zwischen 1961 bis 2007 in Brandenburg über eine Schulklasse. Folgerichtig nennt sich die aktuelle Doppel-DVD „Jenseits von Golzow“. Denn gespeichert sind hier „15 Filme zum Leben und Lernen, Wachsen und Werden in der DDR und anderswo“. Syrien, Oderbruch, Newcastle, Libyen und Somalia, Studentin, Traktorist, Schiffer und Flugkapitän – mehr als eine Republik querbeet.

„Wittstock Zyklus“/„Babelsberger Freiheiten“/„Jenseits von Golzow“ (alle Absolut Medien)