Corona-Demo: Geisterbusse rollen durch Dresden

Dresden. Sonst chauffieren sie Touristen durch Sachsen, Deutschland und Europa. An diesem Vormittag jedoch rollen sie als Geisterbusse durch Dresden. Rund 50 Fahrzeuge, nur die Fahrer sitzen darin. Sie drücken immer wieder auf die Hupe, blockieren Postplatz und Pirnaischen Platz. Mit dem Korso will die Tourismusbranche um Hilfe rufen.
Reisebüros, Reiseveranstalter, aber auch Busunternehmen machen an diesem Mittwochmorgen auf ihre verzweifelte Lage durch die Corona-Krise aufmerksam. „Rettet die Reisebranche“, „Wir kämpfen für das Überleben“ und „Wir fordern konkrete Perspektiven“ ist auf Transparenten zu lesen. Kurz nach neun Uhr fahren sie mit Polizei-Eskorte zum Sächsischen Landtag.
Land spricht sich für weitere Soforthilfe aus
Rainer Maertens betreibt in Dresden eigentlich ein Reisebüro, momentan hat er die Zeit Demonstrationen zu organisieren. „Wir haben heute gehört, dass unsere Misere auf jeden Fall noch extrem lange dauert, und da reichen die 9.000 Euro Zuschuss, die ein Unternehmen in meiner Größe bekommen hat, nicht mehr“, sagt er und bezieht sich damit auf die Reisewarnung der Bundesregierung, die am Mittwoch bis Mitte Juni verlängert wurde. Maertens zählt auf, dass ihm nicht nur Einnahmen wegbrechen. Investitionen in Messen, die nicht stattfinden dürfen, und zurückerstattete Anzahlungen für Reisen belasten die Branche zusätzlich. Die verlängerten Reisewarnungen sind für ihn und seine Kollegen ein neuer Rückschlag.
„Wichtig ist nur, dass die Hilfe schnell ankommt"
Die Touristiker fordern jetzt finanzielle Soforthilfen, Schnellkredite von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sowie eine Perspektive von der Politik, wann Urlaub und Reisen wieder möglich sein werden. Konkreter wolle man nicht werden, um den Spielraum für die Politik möglichst groß zu halten. „Wichtig ist nur, dass die Hilfe schnell ankommt und nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt wird“, betont Maertens. Und: Die Branche bestehe nicht nur aus Großkonzernen wie Lufthansa und TUI, denen Staatshilfe in Aussicht gestellt wurde. Den kleineren Unternehmen müsste genauso geholfen werden, auch wenn es für die ersten zu spät ist.
„Bekannte sächsische Unternehmen sind bereits insolvent“, so Maertens. Der Dresdner Reiseveranstalter Hellas Reisen, der sich auf Urlaube in Griechenland und Zypern spezialisiert hatte, gehört dazu. Ein Unternehmen, das 30 Jahre am Markt bestehen konnte. Am Montag wurde der vorläufige Insolvenzverwalter bestellt. Ein Dresdner, wie aus dem Insolvenzregister hervorgeht. Anke Budde vom Vorstand der Allianz selbstständiger Reiseunternehmen geht davon aus, dass sich eine Insolvenzwelle in zwei bis vier Wochen nicht mehr abwenden lasse, denn das Geld aus den Insolvenzversicherungen werde „bei Weitem nicht ausreichen“, sagt sie. Allein in Dresden finanziert der Tourismus mehr als 13.000 Arbeitsplätze, hat die städtische Marketinggesellschaft ausrechnen lassen.
Voller Verständnis aber ohne gewünschte Perspektive?
Sachsens Kultur- und Tourismusministerin Barbara Klepsch (CDU) kann den Demo-Teilnehmern an diesem Mittwoch nicht die Perspektive liefern, die sie so vehement einfordert. Ja, sie habe vollstes Verständnis, sagt Klepsch zu Maertens. Die Reisebranche sei besonders hart betroffen. „Sie waren die Ersten und werden mit die Letzten sein, wo das Geschäft wieder komplett funktioniert“, sagt sie. Die Landesregierung arbeite an einem Stufenplan, der auch den Neustart des Tourismus‘ innerhalb Sachsens vorsehe. Später am Tag wird Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) den 25. Mai ins Gespräch für weitere Lockerungen bringen.
Gleichzeitig müsse der Bund der Tourismusbranche finanziell helfen. „Die kleinen Unternehmen können heute die Soforthilfe beantragen. Bei bis zu fünf Beschäftigten gibt es 9.000 Euro, bis zu zehn Beschäftigten 15.000 Euro. Das hilft.“ Doch die Frist gelte nur bis zum 31. Mai. „Die muss verlängert werden“, sagt Klepsch. „Das ist eine Forderung, die ist beim Bund schon platziert. Und wir brauchen für über zehn Beschäftigte weitere Unterstützung.“ Klepsch nennt die Zahl von 50 Angestellten, um die Mittelstandslücke zu schließen.
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Maertens geht zuversichtlich, ja fast euphorisch aus dem Gespräch, trotz wenig konkreter Ergebnisse. Er hofft, seine Geschäfte ab dem 1. Juli punktuell wieder aufnehmen zu können. Womit er zu den Optimisten gehört.
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