Von Friedrich Scherzer
Wie umarmt man einen Kaktus?“ Diese Frage stellten sich verzweifelt Eltern im Blick auf ihre heranwachsenden Kinder immer wieder. Da ist kein Herankommen an sie, wenn Jugendliche gegenüber Erwachsenen ihre Stacheln ausfahren.
Dabei wissen wir doch, eigentlich haben sie eine riesige Sehnsucht nach Liebe! Haben wir Eltern (oder Pfarrer) denn gar keine Chance, als ein paar Jahre abzuwarten, bis sich die Stacheln abgenutzt oder angelegt haben?
Ich habe eine Karikatur vor Augen. Sie zeigt eine gut gefüllte Kirche. Vorn steht der Pfarrer mit erhobenen Händen. Auf der letzten Reihe sitzen zwei Konfirmanden, die bis soeben offensichtlich mit ganz anderen Dingen beschäftigt waren, als aufmerksam den Gottesdienst zu verfolgen. Da versetzt einer dem anderen einen heftigen Stoß mit dem Ellenbogen und flüstert: „Halt's Maul! Jetzt kommt der Segen!“
Ob dieser Konfirmand wohl eine Ahnung davon hat, wie wohltuend es ist, mit Gottes Segen in den Alltag zurückzukehren? Gottes Segen wird uns zugesprochen. Ich darf ihn mitnehmen wie ein Geschenk. Er will sich in mir auswirken, mich verändern, damit ich mich selbst leichter ertragen kann.
„Wie umarmt man einen Kaktus?“ Vielleicht geht das eine Zeitlang gar nicht oder nur mit dem Risiko, sich gegenseitig noch mehr zu verletzen. Aber segnen kann ich noch den stachlichsten Kaktus. Und bei der Konfirmation lassen sich selbst die widerborstigsten Jugendlichen sogar die Hand auf den Kopf legen, um regelrecht körperlich etwas von diesem Segen zu spüren.
So sprechen wir den Jugendlichen bei der Konfirmation den Segen Gottes zu in dieser schwierigen Phase der Selbstfindung auf dem Weg des Erwachsenenwerdens.
Übrigens, die meisten Kakteen entfalten schon mit ganz wenig Wasser wunderschöne Blüten. Schon, wenn ich zwischen den Stacheln winzige Knospen entdecke, freue ich mich darauf. Und segnen im Namen Gottes oder im Namen von Jesus Christus darf nicht nur der Pfarrer, das dürfen auch Eltern und Großeltern ... und Kinder ihre Eltern ...
So können wir einander zum Segen werden.
Friedrich Scherzer ist Pfarrer in Weinböhla