Von Jürgen Müller
Was am 16. Februar dieses Jahres gegen 9 Uhr auf der Riesaer Straße in Radebeul passierte und die Staatsanwältin dem Beschuldigten W. vorwirft, ist unstrittig. Der heutige Rentner und frühere Berufsschullehrer wendete mit seinem Auto. Dabei beschädigte er einen am Straßenrand geparkten Nissan. Der Schaden war erheblich: Fast 1 600 Euro stellte die Werkstatt der Geschädigten in Rechnung.
Zeugin notiert Kennzeichen
W. will von dem Unfall nichts mitbekommen haben. „Es regnete stark, es trommelte auf das Glasdach. Außerdem hatte ich das Radio an“, sagt er dem Richter. Stunden später auf einem Parkplatz habe er den Schaden an seinem Auto bemerkt. Er hatte den Daewoo auf dem Parkplatz eines Supermarktes abgestellt. Als er vom Einkaufen zurückkam, sah der 65-Jährige rote Lackkratzer an seinem Fahrzeug. „Ich dachte, ein anderes Auto hätte mich gerammt“, gibt er vor Gericht an. Die Lackspuren des fremden Fahrzeuges habe er problemlos mit einem Lösungsmittel entfernen können.
Erst durch die Anzeige der Zeugin B. kommt die Wahrheit ans Tageslicht. Sie hatte auf der viel befahrenen Straße halten müssen und den Unfall beobachtet. „Meines Erachtens hätte der Beschuldigte den Unfall mitbekommen müssen“, sagt sie vor Gericht aus. Das Auto der Geschädigten habe sich bewegt, als W. dagegen fuhr. Dieser habe jedoch keine Anstalten gemacht, auszusteigen und sich den Schaden zu begutachten, sondern sei nach dem Wenden weitergefahren. „Ich bin ausgestiegen und wollte dem Beschuldigten ein Zeichen geben, doch da war er schon weg“, sagt die Zeugin. Wenigstens sein Kennzeichen notierte sie sich und zeigte den Unfall an.
Keinerlei Punkte in Flensburg
Vor Gericht gibt W. den Tatverlauf zu, versichert aber, nichts bemerkt zu haben. In seinem damaligen Beruf habe er sich eine Straftat überhaupt nicht leisten können. Er bewege sich ordentlich im Straßenverkehr, habe keinerlei Punkte in Flensburg. Dies bestätigt später auch der Auszug aus dem Bundeszentralregister, in dem keinerlei Eintragungen gegen den Coswiger vorliegen.
Den Schaden hat inzwischen die Versicherung des Beschuldigten reguliert, auch wenn dessen Anwältin die Schadenshöhe stark anzweifelt. Der Richter lässt sich aber auf eine Diskussion darüber nicht ein: „Noch schlimmer als zum Arzt zu gehen ist es, das Auto in die Werkstatt zu bringen, vor allem dann, wenn den Schaden ein anderer bezahlen muss“, stellt er lakonisch fest. Viele Umstände sprächen dafür, dass der Beschuldigte den Schaden tatsächlich nicht bemerkt habe. Hinzu komme, dass W. offenbar schwer höre, was sich auch während der Verhandlung mehrfach bestätigt. Der Richter verzichtet darauf, ein teures Gutachten einzuholen und schlägt stattdessen der Staatsanwältin vor, das Verfahren ohne Auflagen einzustellen. Diese willigt nach kurzen Bedenkzeit ein. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.