Von Annechristin Bonß
Barock, Jugendstil, Tafelbauweise – für Mathias Körner gehören diese drei Stile in eine Reihe. Der Gorbitzer SPD-Politiker sieht die Plattenbauten in seinem Stadtteil mit gleichwertigem Rang in der Architektur- und Kunstgeschichte wie andere Bauepochen. Der Platte hat er ein Buch gewidmet, ein kleines Museum erschaffen und eine Ausstellung organisiert. Denn die Tafelbauweise hatte 2016 ein Dresdner Jubiläum. Vor 35 Jahren begann der Bau der Siedlung in Gorbitz. Damals wollten viele Menschen in den neuen, modernen Wohnungen leben. Stück für Stück wuchsen die Mehrgeschosser in die Höhe. Die anfangs noch tristen Freiflächen entwickelten sich zu einem angenehmen Wohnumfeld. Warum also nicht über den Denkmalschutz auch für diese Bauweise nachdenken? Seit wenigen Monaten wird darüber öffentlich im Stadtteil diskutiert.
Vorbilder und Anstöße gibt es bereits. 2013 stellten Stadt und Land die 49. Grundschule in Plauen unter Denkmalschutz. Die gilt als letztes unverändertes Exemplar vom DDR-Bautyp Dresden Atrium aus den 60er-Jahren. In Städten wie Rostock, Berlin, Halle und Leipzig stehen die Platten bereits unter Schutz. Das reicht den Anhängern aber nicht. Denn die Plattenbaugebiete unterscheiden sich. In den Städten wurde durchaus unterschiedlich gebaut. Platte ist nicht gleich Platte. „Obgleich Dresden und die TU Dresden damals maßgeblich an der Entwicklung der Tafelbauweise beteiligt waren und Dresden damit der Geburtshelfer für diese einzigartige Architektur-Epoche ist, stehen hier keine Tafelbauten unter Denkmalschutz“, sagt Mathias Körner.
Das Thema bewegt die Gorbitzer. Das merkt auch Eva-Maria Stange. Als SPD-Landtagsabgeordnete hat die Ministerin ihr Bürgerbüro im Ortsamtsbereich Cotta, zu dem auch Gorbitz gehört. In vielen Gesprächen mit den Anwohnern hat sie auch darüber gesprochen. Kürzlich fand eine Diskussion nur zu diesem Thema statt. „Viele, vor allem seit Jahrzehnten mit dem Stadtteil verbundene Bürger, fühlen sich wohl in Gorbitz, da die Lebensqualität wesentlich besser ist, als es Vorurteile von außen erahnen lassen“, sagt die Politikerin. „Sie wünschen sich, dass man sich mit den architektonischen und städtebaulichen Besonderheiten auch aus der Perspektive des Denkmalschutzes intensiver beschäftigt.“
Dabei gehe es wohl weniger um einen Imagegewinn für den Stadtteil. Ein solcher Titel könnte vielmehr für den Erhalt der Mischung aus Wohnbebauungen, künstlerischer Gestaltung und den zahlreichen Grün- und Erholungsanlagen wichtig sein. Fördermittel würden den Erhalt der geschützten Gebäude unterstützen. Einen Imagegewinn durch das Denkmal Platte sieht auch Jürgen Hesse, Vorstandsmitglied der Eisenbahner-Wohnungsbaugenossenschaft (EWG), nicht. „Ein gutes Image bringen eher eine gezielte Modernisierung und Sanierung im Stadtteil kombiniert mit Neubau“, sagt er. Ein Konzept, das der Großvermieter seit Jahren schon praktiziert. In diesem Jahr startet ein weiteres Bauprojekt in der Kräutersiedlung.
Dabei verschweigt Hesse nicht, dass er Gegner einer kompletten Unterschutzstellung aller Platten in Gorbitz ist. „Das wäre wirtschaftlich unvernünftig“, sagt er. Er befürchtet, dass der Denkmalschutz höhere Auflagen bei der Modernisierung mit sich bringen würde. Das würde mehr kosten, zum Beispiel, wenn Fassaden erneuert werden. Die EWG verwaltet 5 730 Wohnungen in Plattenbauweise. 12 500 dieser Wohnungen gibt es in Gorbitz insgesamt. Die Genossenschaft hat bereits 90 Prozent ihrer Wohnungen modernisieren oder teilsanieren lassen.
Eine Komplettabsage an den Denkmalschutz macht Hesse aber nicht. Man könne durchaus über den Schutz für einzelne Gebäude, Bauweisen, Gebäudegruppen oder -teile nachdenken, sagt er. Dem stimmt auch Mathias Körner zu. „Es gibt keine Pläne für einen Denkmalschutz für ganz Gorbitz. Dies will niemand“, sagt er. Es gehe um Details wie Laternen, Brunnen, Handläufe, Email-Hausnummern, wenige Gebäude und Kunstwerke. Derzeit arbeitet der Gorbitzer, der für die SPD als Stellvertreter im Ortsbeirat Cotta sitzt, an einem Konzept. Dazu will er mit Akteuren aus dem Stadtteil ins Gespräch kommen. Auch weitere Diskussionsrunden sind geplant. Ergebnisse sind jedoch nicht vor Ende 2017 zu erwarten. Die architektonische Anerkennung der Plattenbauweise muss noch ein bisschen warten.
Am 17. Januar will Mathias Körner mit den Gorbitzern zum Thema ins Gespräch kommen. Auskunft und Anmeldung zur Bürgersprechstunde unter 0179 7482466