Von Bettina Klemm
Die weißen Messerschafte aus Beton sollen an den Mord an der Ägypterin Marwa El-Sherbini erinnern – jetzt wurden drei der Mahnmale des Kunstprojekts „18 Stiche“ zerstört.
Entsetzt betrachtet Künstler Johannes Köhler die umgeworfene Plastik auf der Prager Straße. Der Betonkörper ist gerissen, die Kanten abgeschlagen und die Aufschrift entfernt. Er hatte für den Dresdner Verein Bürger Courage die Stelen entworfen und die erste am 1. Juli vor dem Dresdner Landgericht aufgestellt. Dort war die Ägypterin genau ein Jahr zuvor während einer Verhandlung mit 18 Messerstichen ermordet worden.
Stiche für Dresden
„Das waren auch Stiche für Dresden. Ausländer erleiden tagtäglich Stiche durch versteckten und offenen Rassismus“, sagt Künstler Köhler. Darauf soll das Projekt „18 Stiche“ – das sind 1,50 Meter große, weiße Betonmesser im Boden auf Dresdner Plätzen – aufmerksam machen. „Wir wollen mit der Aktion zeigen, dass der Mord an Marwa El-Sherbini nur der traurige Höhepunkt von vielen alltäglichen rassistischen und fremdenfeindlichen Übergriffen ist“, sagt Christian Demuth vom Verein Bürger Courage.
Sieben Stelen sind bisher aufgestellt worden. Doch am Donnerstag bemerkte der Verein, dass die Denkmale am Altmarkt und auf der Prager Straße beschädigt wurden. Gestern entdeckten Köhler und Bürger-Courage-Sprecher Jens Wittig, dass auch das Messer vor dem Dresdner Hauptbahnhof umgestoßen wurde. Eine Betonfigur wiegt 600 Kilogramm. Sie lasse sich nicht einfach umwerfen, sagt Köhler. Offensichtlich hatten sich die Täter vorbereitet, denn unter dem Mahnmal auf der Prager Straße liegt noch das Blatt einer Schaufel.
Bürger Courage geht deshalb von mutwilligen, politisch motivierten Zerstörungen aus. Deshalb sollen die umgeworfenen Stelen liegen bleiben. Wittig und Köhler brachten gestern Zettel an, die auf die Intention der Kunstaktion und die Zerstörung hinweisen.
Der Verein hat Anzeige bei der Polizei erstattet. Diese hatte unabhängig davon bereits die Ermittlungen aufgenommen. „Bisher haben wir noch keine Hinweise auf ein Motiv“, sagt Polizeisprecherin Jana Ulbricht.
Die Prager Straße und der Hauptbahnhofsvorplatz seien doch videoüberwacht, meint Passant Nils Oppermann. Da dürfte es für die Polizei doch nicht so schwer sein, die Täter zu finden. Er begrüße die Aktion von Bürger Courage und habe absolut kein Verständnis für die Zerstörungen.
So reagieren offensichtlich auch andere: Gestern war das Mahnmal auf dem Altmarkt wieder aufgerichtet worden. „Wir wissen nicht, wer das gemacht hat, aber auch das ist eine Meinungsäußerung“, sagt Künstler Köhler. Er hat inzwischen alle 18 Betonmesser gegossen. Eine Baufirma habe ihn dabei unterstützt. Am Dienstag sollen die nächsten drei am Goldenen Reiter, Albertplatz und vor dem Neustädter Bahnhof aufgestellt werden.
Dankeschön vom Bruder
Gestern hat Vereinschef Christian Demuth einen Anruf vom Bruder der Ermordeten erhalten. „Er hat uns im Namen der Familie gedankt, dass wir die Erinnerung an seine Schwester wachhalten“, sagt Demuth.
Allerdings stößt der Verein auf ungeahnte Schwierigkeiten. „Der Freistaat hat uns mitgeteilt, dass er das Aufstellen eines Messers vor dem Landtag ablehnt“, sagt Sprecher Wittig. In dem Schreiben werde das Anliegen zwar grundsätzlich befürwortet und unterstützt, aber auf die Neutralität des Hauses verwiesen. Eine ähnliche Reaktion habe es bisher mündlich auch von der Landesdirektion gegeben. Für Vereinschef Demuth ist das unverständlich: „Eine politische Neutralität zum Thema Alltagsrassismus kann ich nicht verstehen.“