SZ +
Merken

Der allgemeinen Tendenz zum Trotz

Neustadt war Fortschritt und Fortschritt war Neustadt. Doch dann gab es Fortschritt nicht mehr. Was sollte aus einer Stadt werden, die so geprägt war von dem Landmaschinen-Kombinat, dass es schwer fiel,...

Teilen
Folgen

Von Heike Sabel

Neustadt war Fortschritt und Fortschritt war Neustadt. Doch dann gab es Fortschritt nicht mehr. Was sollte aus einer Stadt werden, die so geprägt war von dem Landmaschinen-Kombinat, dass es schwer fiel, beide voneinander zu trennen? Die Stadt musste, wollte sie weiter leben, ein neues Gesicht finden. Sie fand es schneller als viele anderen. Zu Beginn der 90er Jahre wurden Investitionen angeschoben, die bis heute nachwirken. Die Stadt setzte sich im Stillen, aber an den entscheidenen Stellen, durch. Während andere redeten, schrieben die Neustädter Pläne und Anträge. Als mit der Neustadthalle, dem Sportforum und dem Erlebnisbad die ersten Erfolge gefeiert werden konnten, sprachen manche schon von Boom-Town. Andere wurden neidisch.

Neustadt ließ sich weder von dem einen noch dem anderen beeindrucken. So schien es, es geht immer bergauf. Ging es auch. Eine ganze Weile. Sogar Fortschritt kam wieder ins Gespräch, als Teil des amerikanischen Konzerns Case.

Ende der 90er Jahre konnte sich aber auch Neustadt nicht gegen den Trend wehren. Immer mehr Menschen zogen weg. Die Einwohnerzahl sank, das Geld wurde weniger, die Arbeitslosen mehr. Lebten 1992 noch 11 400 Menschen in der Stadt, zählt die Statistik zehn Jahre später nur noch 10 884 Neustädter. Die Folge ist nun der Abriss der ersten Wohnblöcke im Neubaugebiet.

Plötzlich sah sich die aufstrebende Stadt mit Trends konfrontiert, die sie nicht gewohnt war. In den Kassen der Vorzeige-Einrichtungen Neustadthalle und Erlebnisbad herrschte Ebbe, im Stadtsäckel wurde es auch nicht mehr. Noch einige Zeit zehrte man von den besseren Zeiten. Irgendwann aber war der Vorsprung aufgebraucht.

Dann gab es auch bei Case einen Rückschlag: Im Mai 2001 wurde die Entlassung von weiteren 116 Leuten angekündigt. Nur noch 200 sollen bleiben, von einst 6 000. Irgendwie schien der Abstieg vom Olymp nicht mehr aufzuhalten. Doch Neustadt wollte sich nicht kampflos vom Thron stürzen lassen.

Schon 1991 war im Gewerbegebiet der erste Spatenstich erfolgt und der Zweckverband Industrie- und Gewerbepark mit Langburkersdorf gegründet worden. Darauf sollte nun aufgebaut werden. Und es gelingt seit ein, zwei Jahren zunehmend besser. Inzwischen hat die IndustrieCenter GmbH, eine städtische Tochter, schon mit dem Bau der zweiten Miethalle begonnen. Die ersten Mieter behaupten sich inzwischen am Markt. Bürgermeister Dieter Grützner (CDU) sieht in dem Mietpark ein zukunftsträchtiges Konzept. „Die Firmen haben in der Regel den Anfang einer Stabilisierung erreicht, können aber nicht sofort in Bau und Maschinen investieren. Hier springt der Mietpark ein.“

Im Prinzip befindet sich Neustadt in der gleichen Situation. Stabilisierung bedeutet unter den gegenwärtigen Bedingungen schon fast Fortschritt. Wäre da nicht die Debatte um den Landesentwicklungsplan. Mit der fürchtet nicht nur Neustadt die in den vergangenen Jahren erlangte Selbstständigkeit und Stabilität wieder zu verlieren. Denn dem Plan nach sollen kleinere Städte wie Neustadt an Bedeutung verlieren. Weiter kämpfen ist also angesagt.