Von Philipp Siebert
Sven Hartmann schaut ernst. Mit einem Fernglas in der Hand steht er im Schatten, oberhalb des Kötitzer Badesees. Er kennt seinen Arbeitsplatz genau. Vor allem den Ausblick. Dasselbe Bild seit drei Jahren. Dieselbe Baumkette, aus der rote Häuserdächer hervorlugen. Am Horizont die Elbhänge. Davor die glitzernde Wasserfläche des Sees. Schweißperlen rennen ihm über die Stirn. Es ist Mittagszeit.
Kurz nach sieben Uhr hat sein Dienst an diesem Sonnabend begonnen. Im Technikraum des Freibades. Der ist vollgestopft mit blauen Kanistern und blinkenden Kontrollmonitoren. Im Keller darunter rauschen Pumpen. An der Anlage überprüft und reguliert der Schwimmmeister die aktuellen Werte des Wassers in den drei Becken vor dem Natursee. Wie jeden Morgen. Während der Hitzewelle müssen die 1 000 Kubikmeter Wasser, die in die Becken passen, täglich wieder aufbereitet werden.
An normalen Sommertagen kommen etwa 700 Besucher in das Freibad. Am vergangenen Wochenende waren es rekordverdächtige 7 000. Kein Wunder. Die Anzeigetafel am Beckenrand präsentiert prächtige Sommerlichkeit. 38 Grad Außentemperatur. Das Wasser hat erfrischende 25.
Zurück auf der Aussichtsplattform, die Schaltzentrale des Freibads. Von hier aus hat der Bademeister den besten Überblick. Auf den See, die Schwimmbecken und die Wasserrutsche – eine heikle Konstellation. Im Freibad hat es schon die eine oder andere Platzwunde oder abgebrochene Zähne gegeben. Und Unglücke.
Erst vor zwei Jahren erlitt ein älterer Herr einen Herzinfarkt und verstarb. Im letzten Sommer ereilte eine ältere Frau dasselbe Schicksal. Sven Hartmann und seine drei Kollegen konnten die Dame jedoch retten.
Notfälle gehören zu seinem Job dazu, sagt der Mann mit dem grau melierten Dreitagebart und den tätowierten Oberarmen nachdenklich. Doch der Alltag bestehe seltener aus Leben retten, sondern aus Pflaster kleben – anders als in den Strandbädern von Norderney oder Konstanz am Bodensee. Auch dort hat der Dresdner einige Jahre Dienst am Beckenrand und Strand geschoben. „Bisher ist in diesem Jahr zum Glück nichts passiert. In Kötitz geht es etwas ruhiger zu, aber wachsam sein muss ich trotzdem rund um die Uhr“, sagt er. Vor allem an so heißen Tagen.
Regelmäßig greift Sven Hartmann zum Feldstecher, schaut auf den See, kontrolliert, ob jemand seine Kräfte überschätzt und Hilfe benötigt. „Man braucht Erfahrung “, sagt er, „um unterscheiden zu können, ob jemand der Freundin winkt oder, weil er in der Klemme steckt.“ Daneben ist er Mädchen für alles. Ob verlorene Schlüssel und Handys der Gäste oder Kleingeldnachschub für die Kasse – Sven Hartmann sorgt dafür, dass die Besucher zufrieden sind und der Betrieb funktioniert.
In der größten Mittagshitze liegt eine schläfrige Stille über dem Freibad. Auf der Liegewiese lösen Rentner im Schatten der Bäume Kreuzworträtsel oder lesen Bücher, Familien mit Kindern toben umher, in der Sonne räkeln sich Schönheiten in knappen Bikinis. „Unsere Gäste kommen meist ganz zeitig und gehen erst am späten Nachmittag“, sagt Sven Hartmann. Er kennt die Besucher.