Von Maik Brückner
Die Eiche auf dem Spielplatz im Schlottwitzer Kindergarten macht ihrer Gattung alle Ehre. Sie besitzt einen mächtigen Stamm und eine riesige Krone, die an heißen Sommertagen viel Schatten spendet. Die Kinder und Erzieher wissen das zu schätzen. Deshalb soll sie auch stehen bleiben. Das findet auch Michael Kaden. Der junge Mann arbeitet am Glashütter Bauhof und ist dort seit 2011 der Baumsachverständige. Die Eiche hat er schon mehrmals untersucht. „Sie ist bestimmt 500 Jahre alt“, sagt er. Doch leider wurde sie beim Hochwasser 2002 beschädigt. Michael Kaden zeigt auf den unteren Teil des Stammes. Hier fehlte ein gut 50 Quadratzentimeter großes Stück Rinde. Offenbar stieß ein schwerer Gegenstand hier gegen den Stamm. Nach dem Hochwasser wurde die Stelle zwar mit Kunstharz versiegelt. Doch das war keine gute Idee, sagt der 30-Jährige.


Unter der künstlichen Schutzschicht konnten Pilze wachsen. Das Holz wurde morsch, im unteren Teil der Fehlstelle platze die Kunstharzschicht ab. Mit einer kleinen Schaufel kratzt Michael Kaden das morsche Holz ab. Wie ist es um den Baum bestellt? Das fragt sich nicht nur er. Doch nur er kann eine Antwort darauf geben. Zwar ist der Oberfrauendorfer ein gelernter Forstwirt. Doch um Bäume begutachten zu können, musste er Lehrgänge besuchen. „Man bekommt einen ganz anderen Blick auf die Bäume“, sagt er. In der Lehre habe man dies nicht beigebracht. Und wie zu Beweis schaut der 30-Jährige in die Baumkrone. In Sekundenschnelle erblickt er einen trockenen Ast. Der muss bei der nächsten Baumpflege runter. Dann nimmt Michael Kaden einen Gummihammer und schlägt gegen die Rinde. Dort, wo sie fest am Stamm sitzt, klingen die Schläge dumpf. Als er auf die Stelle pocht, wo sie fehlt, klingt’s hohl. Das war zu erwarten. Nun klappt der Bauhofmitarbeiter einen Koffer auf und holt ein Gerät heraus, mit dem die Stelle genauer untersucht werden kann. Es sieht wie eine kleine Leuchtstoffröhre aus, ist aber keine. „Das ist ein Bohrwiderstandsmessgerät“, erklärt der Oberfrauendorfer. Doch bevor er damit zu arbeiten beginnt, holt er ein Bandmaß aus der Tasche. Er rollt er aus, legt es um den Stamm und misst den Baumumfang. Bei 3,70 Metern trifft das Bandende wieder aufs Band. Nun berechnet er mit seinem Taschenrechner den Durchmesser. „1,20 Meter “, sagt er.
Widerstand nach sieben Zentimetern
Für die Baumbewertung ist das ein wichtiges Maß. Denn ein Baum gilt als feststehend, wenn mehr als 30 Prozent des Stammdurchmessers gesund sind. Bei der Schlottwitzer Eiche wären das demnach 36 Zentimeter. Um die Prüfung zu vereinfachen, beschränkt sich Michael Kaden auf den Radius als Maß. Der ist bekanntlich halb so groß wie der Durchmesser.
Nun beginnt die Messung. Dazu montiert Michael Kaden einen Akkuschrauber an das Bohrwiderstandsgerät. Dann beginnt er mit dem Bohren. Der Schrauber bewegt im Gerät einen 50 Zentimeter langen, 1,5 Millimeter dicken Bohrer. Der frisst sich langsam in das Holz ein. Auf der Skale, die auf dem Bohrwiderstandsmessgerät montiert ist, kann Kaden mitverfolgen, auf welchen Widerstand der Bohrer stößt. Bei Rinde und morschen Holz ist er fast bei null, erklärt mit einem Blick auf die Skale. Und wie zu erwarten, ist es auch an dieser Stelle. Erst nach sieben Zentimetern muss der Bohrer sich durchs Holz quälen. Der kleine Schreiber auf der Skale bewegt sich jetzt heftig in deren oberen Bereich. „Das sind richtige Ausschläge, das sieht sehr gut aus“, sagt Michael Kaden zufrieden. Er lässt den Bohrer gut 20 Zentimeter tief bohren. Die Ausschläge werden noch heftiger. Kaden dreht den Bohrer wieder zurück. Er klappt die Plasteabdeckung des Bohrwiderstandsmessgerätes zurück, holt das Messblatt heraus und beschriftet es. Es wird später archiviert. Damit hat Glashütte den Nachweis, dass die morsche Stelle an dieser Stelle des Baumes sieben Zentimeter dick ist. Michael Kaden indes setzt das Gerät noch an drei anderen Stellen an. Hier sind die Ergebnisse besser. Bereits nach vier, fünf Zentimetern trifft sein Bohrer auf Widerstand. Hier ist der Stamm gesund.
Bevor der Baumhofmitarbeiter seine Geräte einpackt, schaut er sich noch die Astgabeln an und nickt zufrieden. „Sie sind schön u-förmig“, sagt er. Nach einem Regen kann das Wasser gut ablaufen. Sein Fazit für heute: Der Baum kann bei guter Pflege noch mindestens zehn Jahre stehenbleiben. Das ist aber nur eine vorsichtige Prognose, schiebt er hinterher. Der Baum muss regelmäßig untersucht werden. Es ist nicht der Einzige. Michael Kaden ist dabei, alle wichtigen Bäume, die auf Grundstücken der Stadt stehen, zu erfassen. „Wir legen ein Baumkataster an.“ Das wird die Arbeit des Bauhofes erleichtern.
Das alles geht aber nur, weil Glashütte das Bohrwiderstandsmessgerät gekauft hat. 6 000 Euro hat es gekostet. Das ist viel Geld“, sagt Michael Kaden. Doch es rechnet sich für die Stadt. Eine Fachfirma verlangt immerhin 200 bis 400 Euro für eine Bauuntersuchung, Glashütte erwägt zudem eine stärkere Zusammenarbeit mit den Bauhöfen der Nachbargemeinden. Michael Kaden würde auch dort Bäume bewerten.