Der Berg, der mit einer atemberaubenden Aussicht lockt

Wilthen. Es ist die blanke Untertreibung. Die Aussicht einfach nur als schön zu bezeichnen, wird der Sache nicht im Mindesten gerecht. Eigentlich müsste die Baude im Wilthener Ortsteil Sora „Atemberaubende Aussicht“ heißen. Denn der Blick, der sich durch die Panoramafenster des Restaurants und aus den Gästezimmern bietet, ist grandios. Weit über die Oberlausitz schweift der Blick. „Man sieht sogar den Bischofswerdaer Butterberg“, sagt Karin Jurack und zeigt in die Ferne.
Seit 40 Jahren auf dem Berg
Die 60-Jährige kann die Aussicht jeden Tag genießen. Schon über 40 Jahre. Seit sie ihre Ausbildung als Kellnerin abgeschlossen hat, arbeitet und wohnt sie in der Baude, deren Chefin sie jetzt ist. Das Panorama, das sich von dort bietet, genießt Karin Jurack immer noch täglich. „Jede Stunde, jede Minute ist der Blick anders, aber immer schön, auch bei schlechtem Wetter“, schwärmt die Wirtin. Auch die Besucher der Bergbaude sind von der Aussicht begeistert, berichtet sie. Es kommen vor allem Wanderer, die zum Beispiel auf dem Pumphut-Steig unterwegs sind. Dieser um Wilthen führende Rundweg ist etwa 17 Kilometer lang und hat acht Stationen, an denen sich Wanderer Stempel in einen speziellen Pass drücken lassen können. Die Baude in Sora ist eine davon.
Dorf mit 16 Einwohnern
Deren Gäste reisen aber oft auch mit Autos an. Die Nummernschilder beginnen häufig mit BZ oder DD. Die Fahrer und Mitfahrer kehren in der „Schönen Aussicht“ ein und laufen vorher oder nachher eine Runde durch Sora. Das Dorf, das gerade mal 16 Einwohner hat, wird in einigen Veröffentlichungen als höchstgelegener bewohnter Ort im Landkreis Bautzen bezeichnet. Karin Jurack will sich nicht darauf festlegen, ob das stimmt. Fakt ist aber, dass es im kleinen Sora einiges zu sehen gibt. Zum Beispiel eine Brunnenstube, wo man durch ein Gitter in einen Brunnen schaut. Oder die einige Schritte von der Baude entfernte Steinbruch-Aussicht, die einen eindrucksvollen Weitblick bis nach Bautzen bietet. Im Frühjahr lohnt sich ein Besuch in Sora besonders, denn dann sind die Wiesen gelb von Osterglocken.
Auch eine Sage hat der Ort zu bieten. Sie erzählt, warum Sora ein Dorf ohne Sperlinge ist oder zumindest war. Angeblich trug sich vor langer Zeit, als noch fahrendes Volk durch die Gegend zog, in Dörfern den Bewohnern mit Hilfeleistungen zur Hand ging und sie mit kleinen Künsten erfreute, Folgendes zu: Nachdem so eine Gruppe in mehreren Orten abgewiesen worden war, stellten ihnen gutmütige Soraer einen Platz für ihre Wagen und Pferde zur Verfügung und erwiesen ihnen manch kleine Wohltat. Zum Dank sprach ein Mann vor der Weiterfahrt eine Zauberformel. Von diesem Tage an ließen sich keine Sperlinge mehr im Dorf sehen, die bis dahin viel Getreide von den Feldern und aus Scheunen gepickt hatten. Ob die Vögel bis heute fehlen, das solle jeder selbst durch einen Besuch in Sora herausfinden, empfiehlt das Team der Bergbaude.
Familienbetrieb statt Personalmangel
Deren Geschichte reicht bis in die 1930er-Jahre zurück. Karin Juracks Großvater richtete in einem alten Bauernhaus vier Zimmer für die Sommerfrische ein, wie es damals hieß. „Meine Eltern haben zweimal an- und umgebaut. In der heutigen Form gibt es die Baude seit 1989, aber wir haben natürlich immer wieder mal was erneuert“, erzählt die Wirtin. Die „Schöne Aussicht“ ist ein Familienbetrieb – und Karin Jurack sehr froh darüber. Denn dadurch bleibt die Baude vom vielerorts in der Gastronomie herrschenden Personalmangel weitgehend verschont. Ihr Mann Andreas ist für die Küche zuständig, bekommt dabei Unterstützung von einem Koch. Sohn Michael kümmert sich mit Karin Jurack um den Service. An Wochenenden und bei Feiern packen zwei Aushilfen mit an.
„Mein Sohn stellt die vierte Generation in der ,Schönen Aussicht’ dar und will sie später weiterführen“, sagt Karin Jurack. Die Wirtin denkt zwar schon übers Aufhören nach, aber so richtig kann sie sich noch nicht dazu entschließen. „Die Baude ist mein Leben“, sagt sie und es klingt nicht unzufrieden. Eher begeistert. Obwohl ihr Arbeitstag morgens mit der Zubereitung des Frühstücks für die Übernachtungsgäste beginnt und oft noch nicht mal dann endet, wenn abends der letzte Besucher gegangen ist. Schließlich müssen auch diverse Bürotätigkeiten erledigt werden.
Schäfchen helfen beim Rasenmähen
„Hobbys habe ich nicht“, sagt die 60-Jährige, um gleich hinzuzufügen, „außer meinen Schäfchen.“ Die weiden rund ums Haus, helfen beim Rasenmähen. Im Herbst werden sie geschlachtet. „Zu Ostern gibt’s dann Lammbraten von der Soraer Weide“, erzählt Karin Jurack. Auch sonst wird in der Bauden-Küche darauf geachtet, dass möglichst viele Rohstoffe aus der Region kommen. „Wir machen sehr viel selbst“, betont die Chefin und nennt als Beispiele, dass die Klöße von Hand gerollt und die Schnitzel vor Ort geklopft werden. Dass auf der Speisekarte sehr viel Wild steht, hat einen einfachen Grund. Andreas Jurack ist Jäger.
Auch wenn das Essen in der Bergbaude den meisten Gästen sehr gut schmeckt, wird so manche Portion kalt – weil die Besucher statt auf ihren Teller immer wieder in die Ferne schauen und die grandiose Aussicht genießen.