Von Marleen Hollenbach
Weißig. Die Karpfen sind nicht mal so groß wie ein Finger. Das Mäulchen weit aufgerissen zappeln sie im Netz von Markus Stecher. Fünf Wochen sind sie erst alt. Ihr Zuhause könnte nicht idyllischer sein. Ein Teich am Dorfrand, eine Kinderschaukel auf der einen, ein Schaf auf der anderen Seite. Der Fischwirt aus Weißig hebt einen Karpfen an, wirft ihn zurück ins Wasser. Dort warten 50 000 Artgenossen auf den kleinen Kerl. „Das ist das Vogelfutter von morgen“, sagt Stecher. Er holt tief Luft, dann fügt er hinzu: „Das ist sarkastisch gemeint.“ Seine Karpfen sind bedroht. Der Otter hat sie auf dem Speiseplan. Auch der Gänsesäger freut sich über frischen Fisch. Der größte Feind von Markus Stecher hört aber auf einen anderen Namen: Kormoran.

Noch mehr Genuss: Ausflugstipps rund um Weißig
Schon wenn er den Namen des großen Vogels ausspricht, bekommt der Fischwirt schlechte Laune. Er schaut übers Wasser, dann in die Luft. „Hier ist zum Glück keiner“, sagt er. Der 49-Jährige mit dem Karohemd und der Weste, dem rötlichen Bart und den buschigen Augenbrauen hebt einen Getreidesack von der Ladefläche seines Geländewagens. Den Inhalt füllt er in einen großen Eimer. „Das ist Weizengrieß. Der ist extra so fein, damit ihn die Karpfen schlucken können“, sagt er. Mit einer Schaufel verteilt er das Futter im Teich. Es stiebt. Wie eine weiße Wolke fliegt das Getreide über das Wasser, legt sich dann auf die Oberfläche. Nun muss der Teichwirt nur noch warten. Und tatsächlich bilden sich kleine Luftbläschen.
Jeden Tag kommt Stecher mit dem Eimer vorbei. Dann füllt er auch die grünen Tonnen auf, die mitten im Wasser stehen und die Stecher nur über einen Steg erreichen kann. Ein Futterautomat. Ein Seil führt ins Wasser. Wenn die Fische es anstoßen, fällt ein wenig Getreide aus dem Behälter. Doch noch können die Karpfen nicht damit umgehen. „Die müssen das noch lernen. Die sind gerade in ihrer Ausbildung“, erklärt der Fischwirt schmunzelnd. Jetzt wäre er eigentlich fertig, jetzt könnte er zurück zum Hof fahren. Doch Stecher wird bei jedem seiner 37 Teiche noch vorbeischauen. Eine Tour ist fast 60 Kilometer lang. Der Fischwirt legt sie gleich dreimal täglich zurück. Vor allem um die größeren Fische sorgt er sich. Die muss er besonders vor den Kormoranen verteidigen. Notfalls auch mit der Schusswaffe.
Das letzte Jahr war besonders schlimm
So schmeckt der Karpfen
Das Jagdgewehr ruht noch auf der Rückbank. Stecher hat es immer mit dabei. Eigentlich stehen Kormorane unter besonderem Schutz. Doch dank einer Sondergenehmigung darf er auf die Vögel schießen. Bei einem Teich hält er an. „Dort sitzt einer auf dem Wasser“, sagt er und greift zum Fernglas. Dann legt er es beiseite, lässt das Autofenster herunter. Er muss sich nur kurz nach hinten beugen, dann hat er das Gewehr in der Hand. Stecher schiebt die Munition hinein. Aus dem Fenster heraus wagt er einen Schuss. Und noch einen. Für einen Moment sieht es so aus, als hätte er den Vogel getroffen. Doch dann spreizt dieser seine Flügel und flattert davon. Immerhin hat er ihn verscheucht. Aber der wird wieder kommen. Und wenn Stecher Pech hat, kommt der Kormoran nicht allein, sondern bringt 20 oder 30 Artgenossen mit. „Das ist so, als ob du dich mit einer überlegenen Armee anlegst. Du kannst 100 erlegen, aber die 800, die danach kommen, hältst du nicht auf“, erzählt er.
Im vergangenen Jahr war es besonders schlimm. Da hat Stecher mehr als die Hälfte seiner heranwachsenden Fische eingebüßt. „Man füttert und pflegt sie und dann werden sie einfach weggefressen. Das ist doch frustrierend“, sagt er. Ein Verlust von 60 000 Euro. Und das, obwohl Stecher mit dem Gewehr unterwegs war. Die Vögel würden ihm sonst gar keine Fische mehr übriglassen.
Der Lärm ist effektiv
Vögel abschießen, damit Fische leben können? „Ein Freund hat mal gesagt, nur ein toter Kormoran ist ein guter Kormoran“, sagt Stecher, der immer mehr vom Fischer zum Jäger wird. Doch es gibt Alternativen. Eine davon hat der Fischwirt seit einigen Monaten direkt hinter seinem Haus stehen. Nur wenige Schritte sind es bis dorthin. An einem dünnen Metallgestell ist ein roter Tank befestigt. Obenauf befindet sich ein Rohr. Stecher schaltet das Gerät ein. Dann steckt er sich die Finger in die Ohren und geht ein paar Schritte zurück. Es knallt. Einmal, noch einmal und noch einmal. Der Fischwirt schaltet die Kanone wieder ab. „Der Lärm vertreibt die Vögel“, sagt er. Die Methode sei effektiv. Würde Stecher an jeden seiner Teiche ein solches Gerät stellen, wäre er den gefiederten Feind los. Bislang hat der Fischwirt zwei davon. Die funktionieren gut. Ärger hat er trotzdem damit. Anwohner haben sich über den Lärm beschwert. Zwar gibt die zuständige Behörde, das Landratsamt, ihm Rückendeckung. Dennoch nutzt er die Kanonen nur selten. „Ich mache das, weil ich nicht mehr weiter weiß“, sagt er.
Stecher räumt den Futtersack auf. Heute ist er zufrieden. Den kleinen Karpfen geht es gut. Das sei das Wichtigste. Drei Jahre wird er sie verteidigen. Dann erst kann Stecher die Fische abgeben. 90 Prozent gibt er an den Großhandel ab. Den Rest verkauft er im Hofladen. „Das ist doch das Beste, wenn man sieht, was aus den kleinen Fischen geworden ist“, sagt er.
Der Hofladen der Teichwirtschaft Weißig, am Teichaus 1, hat Dienstag bis Sonnabend von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Das Angebot umfasst 17 verschiedene Fischarten.