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Der Camper vor dem Herrn fährt heute zur See

„Ich sitze an meinem Schreibtisch, schaue auf ein großes Rosenfeld mit Lavendel drin und denke: Mein Gott, du bist der glücklichste und zufriedenste Mensch der Welt.“ Der Rosenhain liegt vor dem Wohnhaus...

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Von Markus Tichy

„Ich sitze an meinem Schreibtisch, schaue auf ein großes Rosenfeld mit Lavendel drin und denke: Mein Gott, du bist der glücklichste und zufriedenste Mensch der Welt.“ Der Rosenhain liegt vor dem Wohnhaus der Familie Weiss, und dieses steht seit 1982 in Senden (Kreis Neu-Ulm in Bayern). Zu lange kann der frühere Bankdirektor, der Wert auf die Bezeichnung Bankkaufmann legt, das Rosenbeet nicht genießen. „Der Maxl stubst mich an und verlangt sein Recht“, erzählt Weiss. Der Maxl! Fast 13 Jahre ist die gute Seele von Hund jetzt schon alt. In den 90er Jahren machte Maxl Schlagzeilen im DA, weil er in der Urlaubszeit im Ostrauer Tierheim ein Gehege mit dem Affen Rambo teilte. Maxl ließ sich genüsslich von Rambo kraulen, und der Affe staubte dafür das Hundefutter ab. „Seit meiner Pensionierung im März 1999 bin ich für Maxl das Alphatier. Er hat feste Ausgehzeiten“, erzählt Harald K. Weiss lachend.

Zu Döbeln pflegt Weiss nur noch wenig Kontakte, was er bedauert. Immerhin, zu seinem 65 Geburtstag im März kamen auch Glückwünsche aus Sachsen. „Vom lieben guten Egerer“ zum Beispiel. Und auch „vom jetzigen Bürgermeister, dem SPD-Mann.“ Mit seiner früheren Sekretärin telefoniere er zwei bis drei Mal im Jahr.

1992 übernahm Harald K. Weiss die Döbelner Filiale der Dresdner Bank. Das Haus in Senden war vermietet („Ein Schwab verkauft kei‘ Haus.“), in Gärtitz baute er neu und richtete sich mit seiner Ehefrau gut ein. „Einen riesigen Garten hatten wir. Am Wochenende marschierten Völkerwanderungen vorbei, um den zu sehen“, erzählt Weiss. Er selbst hatte daran keine Aktie. „Ich war nur für niedere Arbeiten da, zum Beispiel zum Rasenmähen. Heute lässt mich meine Frau auch schon bessere Sachen machen.“

1994 wurde Weiss als Nachrücker für die CDU in Döbeln Stadtrat, weil ihn der damalige Bürgermeister Matthias Girbig „bekniet“ hatte zu kandidieren. „Und ich habe den Blödsinn mitgemacht“, meint der Sendener heute. Weiss war damals aus der CSU aus- und in die CDU eingetreten. Nach vier Jahren mochte er nicht mehr, trat aus der Fraktion, später aus der Partei aus. „Das wussten damals nur ganz wenige.“ Weiss schwor sich, nie wieder ein politisches Mandat anzutreten oder Mitglied einer Partei zu sein. „Die Unehrlichkeit, die Grabenkämpfe und die Doppelmoral – das habe ich nicht mitgemacht. Die CDU hat sich selbst zerfleischt und ein SPD-Mann wurde Bürgermeister“, sagt er heute. Das alles passte nicht zum Leitspruch seines Lebens: „Gott gebe dir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ Der Satz stammt von Friedrich Christoph Oettinger, einem evangelischen Theologen des 18. Jahrhunderts.

Langweilig ist dem Hobbyhandwerker, Vater zweier Töchter und Opa zweier Enkel ohne öffentliche Verpflichtungen nicht. „14 Stunden Arbeit, Stadtrat, Lionsclub, stellvertretender Aufsichtsratschef der GWG – mir fehlt das nicht. Mein Lebensinhalt ist meine Familie.“

Obwohl, so ganz ohne Amt ging‘s doch nicht. „Seit 2001 bin ich Vorsitzender des Traditionsvereins Ulmer Artilleristen. Ich war selbst Artillerist. Im Juni hatten wir 100-jähriges Bestehen“, erzählt er.

Seit einigen Jahren seien er und seine Frau begeisterte Kreuzfahrer, erkundeten Baltikum, Nordkap, Kanaren und vieles mehr. „Früher waren wir Camper vor dem Herrn. Aber das Wohnmobil haben wir nach meiner Pensionierung verkauft“, sagt er. Er habe es seinerzeit genossen, auf italienischen Campingplätzen zu sitzen, Rotwein zu trinken und stundenlang die Zeitung zu studieren. „Ich brauchte diese Ruhe. Jetzt finde ich sie zu Hause. Ich bin zufrieden und laut TÜV gesund.“