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Der das Wort liebt

Pfarrer Dieter Grahl ist der Neue im Kirchspiel Zeithain. Nur dienstags ist er nie da.

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© Andreas Weihs

Von Antje Steglich

Einfach etwas als gegeben hinnehmen, fällt Dieter Grahl schwer. Er will selbst die Welt und ihre Worte hinterfragen und ergründen. Er will sich reiben und diskutieren. Auch und gerade über die Bibel. „Denn der Glaube lebt nicht dadurch, dass der Pfarrer bestimmt, sondern durch die Texte, die auf das Leben ausstrahlen“, sagt der 61-Jährige. Diese Worte will er seiner neuen Kirchgemeinde am Sonntag mit auf den Weg geben. Denn Dieter Grahl ist der neue Pfarrer im Kirchspiel Zeithain und seit Anfang Juni für Lorenzkirch zuständig.

Hier ist er mit offenen Armen empfangen worden, freut er sich nach den ersten drei Wochen im Amt. „Ich habe das Gefühl, hier ist eine gute, gediegene Frömmigkeit da. Das ist Balsam auf meiner Seele“, sagt der geborene Dresdner. In seiner ersten Predigt wollte er sich nämlich eigentlich etwas zurücknehmen, war er es doch von seiner vorherigen Pfarrstelle im vogtländischen Adorf gewöhnt, dass die seichten Worte besser ankamen. „Hier sah ich aber in ganz andere Gesichter. Im Kopf habe ich dann schnell die Predigt umgeschmissen. Die Mannschaft will hier festes Brot, das gefällt mir.“ Und so freut er sich schon auf die neuen Aufgaben wie die Vorbereitung auf den Lorenzmarkt oder die Feierlichkeiten zum 101. Geburtstag von Nobelpreisträger Wolfgang Paul im August. Selbst nachts pfeilt er dafür bereits an den Predigten.

Ein Bekehrer will er allerdings nie sein, betont der Mann mit dem weißen Bart und klugen blauen Augen hinter den runden Brillengläsern. Die Kirche dürfe aber auch nicht zu einem Event verkommen. Im Mittelpunkt stehe stattdessen immer der christliche Glaube, der ihm schon in die Wiege gelegt wurde. Er sei in einem gläubigen Elternhaus und in typischen DDR-Kirchen groß geworden, sagt Dieter Grahl. In der achten Klasse hat er dann zwar eine „Schnauze-voll-Krise“, ging von der Schule ab und lernt Bäcker. Er kehrt aber schnell auf die Schulbank zurück und lernt den Beruf des Feinmechanikers, bevor es ihn auf die Bibelschule nach Burgstädt zieht. Es folgt das Theologiestudium an der kleinen Erfurter Hochschule und erste Dienste im Sorbischen und im Erzgebirge, bevor die internationale Missionsgesellschaft WEC ihn für den Aufbau von christlichen Kirchen in Rumänien gewinnen kann. Dort lernt er nicht nur seine Frau kennen, mit der er vier erwachsene Kinder hat. Die sieben Jahre unter den Roma prägen ihn bis heute und sind vielleicht auch ein Grund für seinen offenen Blick auf den christlichen Glauben. Zurück in Sachsen arbeitet er in Kamenz oder auch als Gefängnisseelsorger in Bautzen. Und jetzt Lorenzkirch.

Für Dieter Grahl eine naheliegende Entscheidung, hat er sich mit einem kleinen Fachwerkhaus anno 1836 in Diesbar-Seußlitz doch schon vor Jahren seinen Altersruhesitz in der Region gesichert. Nahe der Elbe und in Sachsen, das war ihm wichtig. Und dass er hier die Felsen im Rücken hat, freut ihn besonders – auch wenn er sie nicht besteigen darf. Dafür fährt er beinahe jeden Dienstag zum Klettern in die Sächsische Schweiz.

Mit dem Gottesdienst am Sonntag, 22. Juni, um 14.30 Uhr in der Kirche Kreinitz wird Pfarrer Dieter Grahl offiziell in sein neues Amt eingeführt.