Von Heike Sabel
Zwei Flaschen Eierlikör und das eine oder andere „kleine Blümel“ hat er schon bekommen. Dabei sind ihm Geschenke gar nicht so wichtig. Und den Rummel um seinen Geburtstag mag er auch nicht. Doch da wird er nicht drumherumkommen. Helmut Berthold ist nun mal ein Unikum, und auch die werden nicht alle Tage 80.
Zum 79. vor einem Jahr hatte er über 100 Anrufe. So richtig glücklich aber war er damit nicht. Die, die in der Stube saßen, hatten nichts von ihm, und manche redeten am Telefon so lange. Dieses Jahr hat Helmut Berthold seinen Geburtstag anders geplant. Am Freitag schickt er seine Angehörigen auf Arbeit und sitzt am Telefon, um die Glückwünsche entgegenzunehmen. Die anderen Gratulanten dürfen ins Weesensteiner Pfarrhaus kommen. „Wir wollen uns an viele Gemeinsamkeiten erinnern. Das sind die schönsten Geschenke“, sagt Berthold. Am Sonnabend „haue ich ab“, sagt er, und am Sonntag hält er in der Burkhardswalder Kirche einen Gottesdienst. „Der erste Satz gehört dem Papst, der zweite Luther“, sagt Berthold. Anschließend lädt er noch zu einer Grußstunde in den Pfarrsaal. Dann aber reicht es. Schließlich gibt es wichtigeres, sagt er.
Die sterbende Frau zum Beispiel, an deren Bett er am Montag lange saß. „Ich spiele keine Rolle, im Mittelpunkt steht Gott“, sagt Berthold. „Allein durch Gottes Gnade, ohne eigenes Zutun, darf ich auf acht spannende Lebensjahrzehnte dankbar zurückschauen.“ Trotzdem steht er immer wieder im Mittelpunkt. Wie bei der Flut 2002, als er mit seinen Weesensteinern litt und für sie kämpfte, was ihm den Beinamen Hochwasserpfarrer einbrachte.
Noch ein bisschen zappeln
Mal schauen plötzlich alle auf ihn, dass es ihn selbst zu erschrecken scheint. So wie bei der Beisetzung, als sich die Männer des Beerdigungsinstitutes mit ihm einen Scherz erlaubten.
Zuerst stupsten sie den würdevoll voranschreitenden Pfarrer und Dynamo-Fan von hinten auf die Schulter. Ein Fußballspiel von Dynamo Dresden stand an, und sie wollten seinen Tipp. „Die verkrachen das bestimmt wieder“, zischte ihnen Berthold zu. Dann provozierten sie ihn: Sag mal, wenn Du 70 wirst, da kommen wir. Da war es mit Bertholds würdevollem Gang vorbei. „Du Dussel, ich werde 80“, sagte er, nun gar nicht mehr so leise. Und die Trauergesellschaft staunte: Der Pfarrer und solche Worte. Doch wer Berthold kennt, weiß, das war er. Er verstellt sich nicht. Nicht für sich und nicht für andere.
Das hat er all die Jahre nicht getan, auch nicht, als er im Gemeinderat saß und sich manchmal wie in der italienischen Geschichte von Don Camillo und Peppone fühlte. Berthold ist der schlagkräftige und schlitzohrige Priester, der mit dem Bürgermeister Peppone um die besten Lösungen kämpft. Jetzt ist Berthold nicht mehr im Gemeinderat und freut sich trotzdem, dass endlich auch seine Gemeinde die Neugeborenen mit 100 Euro begrüßten wird.
Berthold schreibt und grüßt gern mit „Ihr alter Pfarrer“. Er ist ein alter Pfarrer im doppelten Sinne. 80 sind ein schönes Alter. Eines, mit dem man ihm manches verzeiht. Eines, das ihm die eine oder andere Freiheit gibt. Nach der Hüftoperation ist er ruhiger geworden, aber nur ein wenig.
Mit den Gedanken und Worten überholt er nach wie vor manchen Jungen. Er ist ein Pfarrer der alten Schule und Zeit. Immer im Einsatz, für seinen Gott und für die Menschen. Da macht er keinen Unterschied. Nicht in den ersten Jahren während seines Vikariats in Schneeberg und nicht all die Jahre im Müglitztal. Manches kommt ihm heute falsch vor, vor allem zu schnell, zu schnelllebig.
Nächstes Jahr ist es 55 Jahre her, dass er als Pfarrer ordiniert wurde. Aber das wird nicht gefeiert, nicht in Kirchenkreisen und nicht bei Berthold. 60 Jahre feiert er dann wieder. Dann ist Berthold 85, liegen 40 Jahre Dienstzeit und 20 Jahre Ruhestand hinter ihm. Berthold schaut so weit nicht. Er wünscht sich einfach, dass ihn der liebe Gott noch ein bisschen zappeln lässt.
Doch jetzt muss er los, sagt er. In Dresden wartet die Frau eines Freundes mit dem Geburtstagskaffee. Sozusagen ein Vorgeschmack. Und dann steht noch ein Zahnarzttermin im Kalender. „Der will mich schick machen“, sagt Berthold. „Dabei habe ich doch schon eine Frau.“ Humor ist das, was bleibt. Wenn er aus dem Herzen und dem Glauben kommt, auch mit 80.
Kirche Burkhardswalde, Gottesdienst, 10. März, 10 Uhr, anschließend Sektempfang