Von Thomas Schadeund Manfred Schulze
Guido N. hat wohl gespürt, dass ihm die Polizei im Nacken sitzt. Und seine Mutter hat ihn schließlich überredet, sich zu stellen. So kam es, dass der 40-Jährige am Donnerstag gegen 20 Uhr aus einem Gasthaus in Kraiburg am Inn bei der Polizei anrief und sich mit den Worten meldete: „Ich bin hier und warte auf Sie.“ Zuvor hatte bereits seine Mutter der Polizei telefonisch angekündigt, ihr Sohn wolle sich stellen. Wenig später nahmen ihn Beamten auf dem Marktplatz widerstandslos neben seinem Auto fest. So schilderte Westsachsens Polizeipräsident Jürgen Georgie am Freitag die unspektakuläre Verhaftung des mutmaßlichen Mörders von Groitzsch.
Er wurde noch in der Nacht zum Freitag nach Leipzig gebracht und zu einer Beschuldigtenvernehmung dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Dort habe der Bayer beharrlich geschwiegen, auch nachdem ihm ein Anwalt an die Seite gestellt worden war, sagte Georgie. Dennoch sei er unter dringendem Tatverdacht in U-Haft genommen worden. Aus Heimtücke soll er am Abend des 28. August auf seinem Grundstück in Groitzsch zwei junge Männer erschossen haben.
Verdächtig gemacht hat sich der Immobilienkaufmann aus Cham in erster Linie selbst. Er besaß mehrere Grundstücke in Sachsen. Auf dem alten LPG-Grundstück in Groitzsch, so die Erkenntnisse der Soko Schrott, hatte es öfter Ärger gegeben. N. soll aggressiv aufgetreten sein. Auch Anzeigen wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs hat er erstattet. Am Tattag wollen Zeugen den Mann, der sonst kaum in Groitzsch ist, im Ort gesehen haben. Seither war er auf der Flucht, so die Ermittler.
Flucht bis zur Mutter
Unklar ist, warum der Besitzer ausgerechnet an diesem Tag sein Grundstück mit einer Waffe selbst bewachen wollte. Nach den Morden wollte die Polizei mit ihm als Eigentümer routinemäßig Kontakt aufnehmen, um zu überprüfen, ob sich die beiden getöteten Männer legal oder illegal auf dem umzäunten Areal aufgehalten hatten. Als er an allen bekannten Adressen in Sachsen und Bayern nicht erreichbar war, wurde er als Verdächtiger zur Fahndung ausgeschrieben. Offenbar hatte auch die Überprüfung der Waffenbesitzkarte ergeben, dass er über eine Pistole verfügte, die als Tatwaffe infrage kommt. Die Polizei hat inzwischen mehrere Gewehre und Pistolen des Verdächtigen sichergestellt. Außerdem entdeckten die Beamten nach SZ-Informationen bei Guido N. einige Verletzungen, die mit dem Geschehen in Groitzsch zusammenhängen könnten.
Wie Polizeichef Georgie erklärte, wird derzeit überprüft, ob es sich bei der Pistole, die bei der Festnahme im Auto von Guido N. gefunden wurde, um die Tatwaffe handelt, mit der die 19 und 23 Jahre alten Männer getötet wurden. Es wird auch ein ballistischer Vergleich mit den Spuren des ungeklärten Mordes durchgeführt, der 2009 in der Nähe der Industriebrache des alten Plasta-Werkes verübt worden war. Nach SZ-Informationen ist der Verdächtige nicht Eigentümer dieses Grundstücks. N. soll in den vergangenen Jahren meist bei Zwangsversteigerungen Altimmobilien in der Gegend von Grimma und Döbeln erworben haben.
Der 40-Jährige ist verheiratet, hat aber keine Kinder. Er ist der Polizei bisher nie aufgefallen. Er lebte angeblich zeitweise bei seiner Mutter und hatte sich offenbar auch dahin geflüchtet, als er merkte, dass die Polizei überall nach ihm suchte. Unklar blieb am Freitag auch, warum Guido N. in Groitzsch sofort zur Waffe griff und mehrmals auf die beiden jungen Männer schoss, die er offenbar auf seinem Grundstück überrascht hatte. (mit dpa)