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Der eine links, der andere rechts...

... aber beide mit dem gleichen Problem: Bodo Ramelow trifft Michael Kretschmer in Altenburg. Beide verstehen sich. Ihre Probleme sind ähnlich.

Von Thilo Alexe
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Die Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (l.) und Michael Kretschmer traten nach der gemeinsamen Sitzung der Landesregierungen Thüringens und Sachsens vor die Presse.
Die Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (l.) und Michael Kretschmer traten nach der gemeinsamen Sitzung der Landesregierungen Thüringens und Sachsens vor die Presse. © dpa/Michael Reichel

Jetzt hat es die Görlitzer Oberbürgermeisterwahl auch in die Kabinette von zwei Freistaaten geschafft. Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) findet am Dienstag anerkennende Worte für seine „Genossin“ Jana Lübeck. Dass sich die Kandidatin der Linken nach dem ersten Wahlgang zurückgezogen habe, sei hilfreich für den Wahlsieg von CDU-Mann Octavian Ursu gewesen und habe einen AfD-Abgeordneten als Rathauschef verhindert.

Neben Ramelow steht Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Die beiden Regierungen tagen gemeinsam im Festsaal des wuchtigen Altenburger Schlosses. Viel nackte Haut prangt vom Deckengemälde, das einen sausenden Wagenlenker zeigt. Barbarossa war schon hier, Bayern wurde sozusagen in Altenburg gegründet, und jetzt stehen ein Linker und ein Christdemokrat beisammen, vor denen komplizierte Wahlen liegen.

In Sachsen benötigt die CDU nach jetzigem Stand mindestens zwei Partner, um ohne die AfD regieren zu können. In Thüringen ist die Lage krasser. Das von Ramelow geführte rot-rot-grüne Bündnis kommt derzeit auf 44 Prozent. Bislang praktizierte Koalitionen scheinen unmöglich.

Womöglich hilft es, wenn die Kabinettschefs sich ordentlich präsentieren. Die Tagesordnung ist nicht unbedingt spannend. Doch Ramelow und Kretschmer geben routiniert zu Protokoll, was die Landesregierungen beschlossen haben. Die Länder wollen stärker gegen Reichsbürger und Rechtsrockkonzerte vorgehen. Thüringen will in Karlsruhe prüfen lassen, ob die Neonazikonzerte von der Meinungsfreiheit gedeckt oder letztlich gewerbliche Veranstaltungen der Szene sind.

Der Tourismus im Vogtland soll gemeinsam vermarktet werden, die Bahn häufiger fahren. Im Gartenhaus der großzügigen Schlossanlage stellt ein Reporter die Frage nach den Gemeinsamkeiten des Linken und des Konservativen. Kretschmer äußert seine Achtung vor der Fachkompetenz Ramelows, schränkt aber ein: „Das heißt ja nicht, dass man diese Regierungskoalition nachmachen muss.“ Ramelow erklärt, dass er einen Zeitungsbeitrag „mit konservativen Grüßen“ beendet habe. Konservativ bedeute für ihn, Sinnvolles zu bewahren. Ohnehin unterstelle ihm seine Partei stets, ein Konservativer zu sein.

Wer Ramelow und Kretschmer zuhört, erkennt, dass zwei Pragmatiker reden. Die Unterschiede der Parteien, die sie vertreten, werden auf Regierungsebene klein. Vor allem dann, wenn beide Ostländer gegen das Sinken der EU-Mittel aus Brüssel ankämpfen und auch Altenburg von den Strukturfördermitteln im Zuge des endenden Braunkohleabbaus profitieren soll.

Kretschmer (l.) und Ramelow beim Treffen in Altenburg. Aus Sicht der Umfragen haben beide Ministerpräsidenten derzeit wenig Grund zum Lachen.
Kretschmer (l.) und Ramelow beim Treffen in Altenburg. Aus Sicht der Umfragen haben beide Ministerpräsidenten derzeit wenig Grund zum Lachen. © dpa/Michael Reichel

Kretschmer sagt es so: „Die Freistaaten Thüringen und Sachsen verbinden gemeinsame Interessen und Herausforderungen.“ Ramelow spricht von einer „konstruktiven Zusammenarbeit“. Dass die Linke für mehr Staat und die CDU für weniger davon ist, geschenkt. Auch Gegensätze in der Sozial- und Wirtschaftspolitik der beiden Parteien spielen keine Rolle. Die gemeinsame Sitzung soll zeigen: Hier stehen zwei, die das Handwerk verstehen. Hier stehen zwei, die gerne weitermachen wollen.

Einen vergleichsweise breiten Raum nimmt in den Statements die Tötung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ein. Ramelow und Kretschmer zeigen sich entsetzt über die Hasskommentare im Netz. Kretschmer sagt auf Nachfrage, dass Rechtsextremismus ein schwerer wiegendes Problem als Linksextremismus sei, auch wenn man sich als Demokrat von beidem absetzen müsse.

Gibt es keine Unterschiede oder wenigstens kleine Sticheleien? Ramelow verweist immerhin auf den früheren Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen. Der CDU-Mann, der sich unlängst für ein Ministeramt in Sachsen ins Gespräch brachte, schließt eine Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD nicht aus. Ramelow tut das für die Linke schon – wobei ein solcher Pakt ohnehin nicht zustande käme. Kretschmer geht nicht weiter darauf ein, verkneift sich aber die Bemerkung nicht, dass er manche Politiker der Linken schwierig findet. Aber: „Ich finde nicht Bodo Ramelow schwierig.“

Gespräche im Hintergrund

Damit ist eigentlich alles gesagt. In beiden Ländern laufen im Hintergrund unzählige Gespräche, wie es nach den Wahlen im September und Oktober weitergehen soll. In beiden Freistaaten dürfte die AfD auf Werte um oder deutlich über 20 Prozent kommen. Sitzt die Partei mit am Tisch, so die Sorge der jetzigen Regierenden, könnten die Länder im Bund isoliert sein.

Zur AfD äußern sich die Regierungschefs allerdings nicht. Ihre Botschaft: Wir machen Sacharbeit, deren Effekte positive Auswirkungen auf die Bürger haben. „Gerade in Zeiten einer von Aggressivität geprägten politischen Diskussion ist es wichtig, gemeinsame Interessen länderübergreifend sachlich zu formulieren“, betont Ramelow. Der Linke stellt sich übrigens hinter Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, der mehr Toleranz gegenüber politisch rechten Äußerungen einfordert. Wieder eine Gemeinsamkeit mit Kretschmer.

Der Sachse warnt, dass ostdeutsche Länder zu Verlierern der EU-Förderpolitik werden können und drängt auf eine für den Osten ausreichende Finanzpolitik. Kretschmer eilt zum nächsten Termin, sein Kalender ist voll. Am Mittwoch will er die Reihe seiner Bürgergespräche in Chemnitz fortsetzen.