Von Heike Sabel
Jede Oma würde es so machen. Das steht für die 62-Jährige außer Frage. Was die Aufnahme der sechsjährigen Enkelin für sie und ihren Mann bedeutet, spürt sie jedoch erst nach und nach.
Da sind Sätze des Mädchens, die die Oma erschauern lassen: „So einen schönen Geburtstag hatte ich noch nie.“ Oder: „Oma, bei dir habe ich gar keine blauen Flecken“. Oder wenn sie – angesprochen auf ihre Mama – sagt: „Meine Mama ist tot.“ Was muss dieses Kind schon durchgemacht haben, denkt sich die Oma dann immer wieder. Dennoch packt sie ihre Enkelin nicht in Watte. „Sie muss sich durchboxen, das ist wichtig für die Zukunft“, sagt die Oma, die das Mädchen aus Dresden zu sich in ein kleines Dorf zwischen Pirna und Neustadt nahm.
Für wie lange, das weiß niemand. Seit Februar ist die Enkelin bei den Großeltern. Es kann sein, das Jugendamt entscheidet von einem Tag auf den anderen, dass sie wieder zu ihrer Mutter muss. Dann würde für das Mädchen eine Welt zusammenbrechen. Sie hat schon gesagt: „Das geht nur drei Tage gut.“ Die Sechsjährige, die in Omas Nähe in den Kindergarten geht, bekommt schon jetzt panische Angst, wenn es nur heißt, wir fahren nach Dresden.
Doch auch im kleinen Dorf der Oma ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Es ist eine schwierige Situation für alle Beteiligten. „Sie lässt vieles nicht an sich ran, will ihren Kopf durchsetzen“, berichtet die Oma. Auch deshalb geht sie mit ihr zum Kinderpsychologen und zum Ergotherapeuten, schickt sie zum Singen, weil ihr das Spaß macht und bezahlt das therapeutische Reiten.
Die einzige finanzielle Unterstützung, die Oma und Opa derzeit bekommen, sind die 154 Euro Kindergeld monatlich. „Und die gehen für den Kindergarten drauf.“ Trotzdem machen es die Großeltern gern. Auch wenn ihr Bekanntenkreis inzwischen geschrumpft ist. „Wir haben eben keine Zeit mehr.“ Dafür fand die Oma neue Bekannte. Junge Muttis aus dem Dorf. Jetzt ist die Oma in einem Kreis Mütter, die Bekleidung und Spielsachen von Hand zu Hand geben. Trotzdem fühlt sie sich zwischen den Stühlen. Für die Senioren ist sie irgendwie zu jung, für andere Mütter und das Jugendamt zu alt. Denn mit 62 kommt eine Übernahme des Sorgerechts für die Enkelin gar nicht in Frage. Auch Pflegegeld ist unerreichbar.
Sie haben sich von einem Anwalt beraten lassen. Der habe klipp und klar gesagt: „Sie haben sämtliche Verpflichtungen, aber keinerlei Rechte.“ Deshalb hat sich auch der Naundorfer Verein „Auftauchen“ der Oma-Opa-Enkelin-Familie angenommen und bei Lichtblick um eine Unterstützung gebeten. Das Mädchen wächst, der Winter und Weihnachten stehen vor der Tür…
Die Schwiegertochter bekommt zwei Betreuerinnen und ein Antiaggressionstraining bezahlt, sagt die 62-Jährige. Das sind die Momente, wo die zupackende Frau etwas verbissen sagt: „Dafür ist Geld da.“ Doch sie hat sich gleich wieder gefangen. Ihr geht es um die Enkelin.
Namen sind der Redaktion bekannt.