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Der erste Zaun am Seeufer

Ein Eigentümer hat sein Grundstück am See abgesperrt. Kritiker fürchten, dass dieses Beispiel Schule macht.

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Von Susanne Sodan und Sebastian Beutler

Heinrich Reiche steht vor dem massiven Holzzaun am Berzdorfer See. Kein Durchkommen. „Sonst bin ich hier immer direkt am Wasser entlanggelaufen“, sagt der Rentner. Gemeinsam mit seiner Frau geht er oft am Ufer des Sees spazieren, am Nordstrand entlang, vorbei am ehemaligen Gutshof von Deutsch Ossig. Ein paar Meter weiter steht der Oberhof mit seinen drei Gebäuden. Und hier ist erst einmal Schluss für alle Ausflügler – ein sogenannter Naturzaun aus Holzpfählen und Geäst versperrt den Weg direkt am Wasser entlang.

„Am 7. März war das“, erzählt Heinrich Reiche. „Da konnten wir schon von Weitem sehen, wie jemand am Ufer Pfähle in die Erde rammte.“ Reiche fragte nach bei dem Mann. Mit dem Durchgehen sei hier jetzt Schluss. Privateigentum, so lautete die Antwort.

Dietmar Stope, einer der Besitzer des Grundstücks, argumentiert genauso. „Der Oberhof ist schon seit 15 Jahren Privateigentum. Bisher haben wir den Durchgangsverkehr geduldet.“ Jetzt aber nicht mehr. Und das habe auch seine Gründe, so Stobe: „Hier sind Hundehaufen liegengeblieben. Neuerdings hatten ganze Gruppen Jugendlicher auf dem Areal nachts gegrillt. Auf meinen Hinweis, dass das Grundstück privat ist, kam gar keine Reaktion.“ Sein Plan ist es eigentlich, aus dem Oberhof ein Hotel zu machen.

Görlitzer Stadträte fordern Konzept

Was in Deutsch Ossig nun zum ersten Mal zu erleben ist, so fürchten Kritiker, könnte künftig am Berzdorfer See Normalität werden. Wasser auf ihre Mühlen erhielten sie durch die Studie des Tourismus-Experten Johann-Friedrich Engel. Denn darin sind separate Uferabschnitte für Hotels und deren Gäste ausdrücklich beschrieben. Sonst würden die Investoren gar nicht kommen.

Seit das Konzept in der Öffentlichkeit ist, reißen daher auch nicht die Hinweise ab, dass Ufer und Rundweg ausschließlich öffentlichen Belangen zur Verfügung stehen müssen. Erst vor wenigen Tagen kam das im Görlitzer Stadtrat zum Ausdruck, als Oberbürgermeister Siegfried Deinege beauftragt wurde, aus der Studie von Engel ein Konzept bis September zu entwickeln. Da sollen solche Fragen geklärt werden wie: Wo sollen Hotels oder Ferienanlagen gebaut werden? Wo wird das Wohnen am See erlaubt? Wo soll die Infrastruktur für den Hafen auf der Halbinsel gebaut werden? Und wie könnte eine Strategie aussehen, für all diese Vorhaben Investoren an den See zu holen? Und für Rolf Weidle, der diesen Antrag für das Görlitzer Bündnis aus CDU/FDP und Bürger für Görlitz/Bündnisgrüne einbrachte, ist auch noch eine mit den Anrainern abgestimmte Namensänderung des Sees wichtig.

All dem stimmte der Stadtrat zu. Auch dem Vorschlag der Linkspartei, die Gründung eines Zweckverbandes oder einer anderen geeigneten Rechtsform mit den Anrainergemeinden vorzubereiten. Deinege nahm den Auftrag gern entgegen. „Wir sind nicht in der Position, das Wirtschaftspotenzial des Sees ungenutzt liegenzulassen“, erklärte er.

Dass das Problem der Eigentumsverhältnisse am Ufer nicht nur in Deutsch Ossig auftritt, weiß auch der Planungsverband Berzdorfer See. Seit Monaten geht es um eine Waldsiedlung am Nordstrand. Den Investoren gehören aber Grundstücke am Ufer, die den Rundweg einschließen. Bis ins Wasser reicht das Eigentum, was eigentlich gar nicht sein dürfte. Denn die Wasserfläche soll öffentlich bleiben. Durch Geländetausch soll dieses Problem nun gelöst werden, damit der Verband das Baurechtsverfahren für die Waldsiedlung starten kann.

Noch sind das alles nur punktuelle Einschränkungen. Das sagt auch Heinrich Reiche. „Natürlich kann man auf der alten Dorfstraße auch um den Oberhof herumgehen und dann am Ufer weiterlaufen“. Schließlich sind es nur 200 Meter von 15 Kilometern Uferlänge am See. Aber um den Einzelfall geht es Reiche nicht. Schon seit knapp 60 Jahren lebt er in Görlitz, hat früher im Turbinenwerk gearbeitet. Die Entwicklung am Berzdorfer See verfolgt der Rentner von Beginn an.

Die See-Studie von Johann-Friedrich Engel aber sieht Reiche mit Skepsis – gerade mit Blick auf die Vielzahl der Hotels, die entstehen sollen. „Da frage ich mich, ob die Absperrung am Oberhof nur der Anfang ist. Der See ist eine große Bereicherung für die Region. Davon sollten alle etwas haben, nicht nur die Gäste der Hotels.“