Von Eva Prase
Matthias Donath will sich den Blick des kritischen Historikers erhalten. Er wohnt im Herrenhaus des Rittergutes in Niederjahna bei Meißen. Vom Schreibtisch aus kann er hinaus auf den Schlosspark schauen. An der Wand hängen Geweihe von Tieren, die Donath selbst erlegt hat. Daneben ein Bücherregal voll mit Saxonica. An der Wand gekreuzte Schwerter und die Mützen der Studentenverbindung Plavia. Zudem liegen etliche Jahrhunderte alte Akten parat. Briefe, Tagebücher, Stammbäume, Familienverträge. Nicht zuletzt: ein druckfrisches Buch mit dem Titel „Schwarz und Gold“.
Es ist das Buch, das Donath über das Wirken der Familie von Watzdorf geschrieben hat, deren Name vielen durch die Fernsehserie „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ bekannt wurde. Manchem dürfte beim Namen Watzdorf das Barockschloss und der Park Lichtenwalde einfallen, die auf Christoph Heinrich von Watzdorf und seinen Sohn Friedrich Carl zurückgehen.
„Schwarz und Gold“ ist nicht das erste Buch, in dem Donath Herkunft und Wirken einer Adelsfamilie aufzeigt. Erst im vergangenen Jahr hat er sich den „Rotgrünen Löwen“ gewidmet, den von Schönbergs. Ihm entstammen Bischöfe und Domherren, Räte und Oberberghauptleute, Rittergutsbesitzer und Offiziere, die über acht Jahrhunderte die Geschichte Sachsens bestimmten. Nun die von Watzdorfs. Nächstes Jahr soll eine Biografie über die Familie von Breitenbuch erscheinen. Ihr entstammt unter anderem Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU-Abgeordneter im Sächsischen Landtag.
Knapp 70 Bücher geschrieben
Insgesamt hat Donath, Jahrgang 1975, knapp 70 Bücher geschrieben. Über Schlösser und Schlossgärten, deren Eigentümer, über Kirchen und Klöster, zu Denkmalpflege und Architektur. Zudem: Vorträge, Aufsätze, Ausstellungen, Tagungen, Mitgliedschaften. Ein ungewöhnlicher Job, einer, in den man nur hineinwachsen kann.
Donath stammt aus Wilsdruff bei Freital. Sein Vater arbeitete als Architekt der katholischen Kirche. Er gehörte jener Bürgerinitiative an, die die Jakobikirche, was die heutige Autobahnkirche ist, vor dem Verfall rettete. „Ich war praktisch jedes Wochenende mit auf dem Bau.“ Später arbeitete Donaths Vater im Kloster Wechselburg und noch später war er Dombaumeister zu Meißen. Auch hier stieg der Sohn mit aufs Gerüst – und nutzte diese Chance, den Bau zu dokumentieren. Er nahm Steinmetzzeichen auf, beschrieb Baufugen, analysierte die Steine, trug Einzelinformationen über die Baugeschichte des Domes wie ein Puzzle zusammen. Als er Kunstgeschichte, Christliche und Klassische Archäologie in Leipzig und Freiburg im Breisgau studierte, kamen ihm diese Arbeiten zugute: Er promovierte 1998 über die Baugeschichte des Domes zu Meißen und hatte seinen Doktortitel im Alter von 23 Jahren, nach fünf Jahren Studium. Inzwischen ist er selbst Vorsitzender des Dombauvereins Meißen und des Freundeskreises Schlösserland Sachsen. Vor fünf Jahren entschied er sich, das Herrenhaus in Niederjahna zu sanieren. Wunderschöne Deckengemälde in fast allen Räumen, die die Zeiten und viele Eigentümer überdauert haben. Heute wohnt er mit seiner Familie in dem Renaissance-Gebäude. Das ist zudem Sitz des Zentrums für Kultur/Geschichte, einer Forschungseinrichtung zur Geschichte des sächsischen Adels, die Donath mit dem Historiker Lars-Arne Dannenberg gegründet hat. Mit ihm gibt er auch die „Sächsischen Heimatblätter“ heraus, eine Zeitschrift für Sächsische Geschichte, Denkmalpflege, Natur und Umwelt.
Diese Biografie, die Verbindungen schaffen Vertrauen, Donaths Fachkenntnis als Kunsthistoriker öffnet ihm Türen, speziell bei sächsischen Adelsfamilien. Drei bis vier Jahre benötige er, um eine Biografie wie die der Familie von Watzdorf oder von Schönberg zu erarbeiten. Dabei sammelt er zunächst „wie ein Hamster alles“, was er findet. Danach sichtet und sortiert er das Material. „Es entsteht automatisch so etwas wie eine Gliederung“, sagt er.
Das kleine Archiv im zweiten Stock des Herrenhauses quillt über. Akte an Akte. Die Rückseiten der Ordner sind mit Stichworten wie „Schloss Rochsburg“ und „Wechselburg“ beschriftet. Auf einem Karton steht „Kunz von Brunn, genannt von Kauffungen“. Donath erläutert, dass das Zentrum oft Nachlässe angeboten bekommt. Im konkreten Fall hatte eine Nachfahrin des Ritters Kunz von Kauffungen dem Archiv Schriften aus dem frühen 19. Jahrhundert übergeben. Ein Tagebuch, abgefasst in Französisch, wie es damals üblich war, dazu Briefe, Urkunden. „Wenn uns eine Familie etwas überlässt, sehen wir es als Verpflichtung an, die Dokumente zu erforschen“, sagt Donath. Dazu wäre das Staatsarchiv, das Familienakten aller Adelsgeschlechter in Sachsen verwahrt, nicht in der Lage. „Dort kann zwar jeder Bürger Akteneinsicht nehmen, aber die Bestände werden nur aufbewahrt, sie werden nicht automatisch für die wissenschaftliche Forschung genutzt.“
Volle Hoheit über den Inhalt
Donath stellt klar, weder Haus- noch Hofschreiber zu sein. Deshalb handele er vertraglich mit den Familien aus, dass er volle Hoheit über den Inhalt behält. „Auch das Unvorteilhafte schreibe ich.“ Dabei könnten die Familien gut damit leben, wenn ein Vorfahre vor 200 Jahren ein uneheliches Kind gezeugt hat. Schwieriger wird es, wenn es um Verstrickungen in der Zeit des Nationalsozialismus geht. So war Rudolf von Watzdorf „zweifellos überzeugtes NSDAP-Mitglied“. Er war von 1933 bis 1945 Kreisbauernführer in Bautzen und bereits 1935 der SS beigetreten. Er habe, zitiert Donath aus einer Beurteilung, „die Belange der Schutzstaffel stets vorbildlich vertreten“. Er resümiert, dass die Familie sich in den zwölf Jahren kaum anders verhalten hat als der Durchschnitt der Gesellschaft.
Donath arbeitete auch mit Briefen von Adam von Watzdorf, der von 1972 bis 1990 das Amt des Seniors der Familie bekleidete.
Besonders interessant empfindet er auch das Leben von Bernhard Watzdorf. Während die meisten Mitglieder der Familie in den Westen flüchteten, ging der aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassene Oberst im Generalstab Bernhard von Watzdorf (1899-1986) bewusst in die sowjetische Zone. Der ehemalige Wehrmachtsoffizier trat der SED bei und legte 1947 das „von“ ab. „Bernhard Watzdorf distanzierte sich von seiner adligen Herkunft, weil er an die Zukunft des sozialistischen Staates glaubte“, meint Donath. Diesem Staat stellte er auch seine militärischen Kenntnisse zur Verfügung: Der Oberst half beim Aufbau der Kasernierten Volkspolizei, dem Vorläufer der Nationalen Volksarmee (NVA) und bei der Integration ehemaliger Offiziere der Wehrmacht in die NVA. 1955 erklärte er sich bereit, für das Ministerium für Staatssicherheit als Geheimer Informator tätig zu werden. Er verpflichtete sich, „in den Kreis der ehemaligen höheren Offiziere der faschistischen Wehrmacht“ einzudringen und sie zu bespitzeln. 1965 bekannte er, dass er „mit Leib und Seele Bürger der Deutschen Demokratischen Republik geworden“ sei.
Nicht zuletzt räumt Donath Irrtümer beiseite, die sich jahrhundertelang gehalten haben. Bei den von Watzdorfs war die älteste Familienordnung auf 1394 datiert. Eine Fälschung, für die Vollrath von Watzdorf (1488-1558) einen Grund hatte: Er pachtete Grundbesitz des aufgelösten Klosters Bürgel. Doch Vollrath von Watzdorf wollte Grund und Boden in sein Eigentum überführen - und erfand kurzerhand einen Abt aus dem eigenen Geschlecht und die Brüder Caspar und David von Watzdorf, die dem Kloster Bürgel Wiesen und Äcker vermacht hätten ... Noch 1994 erinnerte der Familientag in Weimar daran, dass „schon 1394 ein erster nachweisbarer Familientag unseres Geschlechts“ stattgefunden habe. Unhaltbar - nach Lektüre von Donaths rund 500 Seiten starkem Buch. (FP)
Matthias Donath: Schwarz und Gold - Die Familie von Watzdorf in Thüringen, Sachsen und Schlesien, Redaktions- und Verlagsgesellschaft Elbland, Preis: 29,90 Euro.