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Der Fall Manuel Matzke

Der Häftling wollte Stadtrat in Riesa werden – doch die Staatsanwaltschaft hat die Kandidatur verhindert.

Von Antje Steglich
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Manuel Matzke sitzt eine Freiheitsstrafe in der JVA Zeithain ab und ist Sprecher der Gefangenen-Gewerkschaft GG/BO.
Manuel Matzke sitzt eine Freiheitsstrafe in der JVA Zeithain ab und ist Sprecher der Gefangenen-Gewerkschaft GG/BO. ©  Sebastian Schultz

Manuel Matzke hätte deutschlandweit für eine politische Sensation sorgen können. Denn dass ein Häftling für ein politisches Amt kandidiert, ist höchst selten – in unserer Region wäre es sogar eine Premiere gewesen. 

Doch obwohl die Partei Die Linke den 32-Jährigen mit kubanischen Wurzeln offiziell nominierte, wird Manuel Matzke zur Kommunalwahl am 26. Mai nun doch nicht auf dem Wahlschein auftauchen. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat die Kandidatur des Häftlings für einen Sitz im Kreistag Meißen sowie im Riesaer Stadtrat gestoppt.

Manuel Matzke verbüßt seit November 2014 eine Freiheitsstrafe in der JVA Zeithain. Nach eigenen Angaben wurde er wegen schweren Betruges zu sieben Jahren und elf Monaten Haft verurteilt. 

Weil der Strafrahmen bei sechs Monaten beginnt, gilt Betrug als ein Vergehen und nicht als Verbrechen, argumentierte er nach der Nominierung in der Öffentlichkeit. Demnach hätte er durchaus ein politisches Amt übernehmen können, bestätigte auch der Kreiswahlleiter Tilo Lindner Anfang März in der SZ.

 Trotzdem vermerkte die Stadt Riesa auf der für Kandidaten notwendigen „Bescheinigung der Wählbarkeit – Anlage 17“, dass Manuel Matzke von der Wählbarkeit ausgeschlossen ist. 

Das Rathaus berief sich dabei auf die Staatsanwaltschaft Dresden. – „Wegen der zugrunde liegenden Verurteilung ist der Rechtsverlust nach Paragraf 45 Strafgesetzbuch eingetreten“, erklärte Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt auf Nachfrage der SZ, „der fünfjährige Rechtsverlust beginnt erst, wenn die Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist.“ Manuel Matzke wurde demnach wegen eines Verbrechens verurteilt und wäre erst 2027 wieder wählbar, da er seine Strafe erst im März 2022 voll verbüßt hätte.

Allerdings stehen noch einige Entscheidungen aus. Demnach bestehen durchaus Chancen, dass der gebürtige Riesaer bereits in diesem Jahr – nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haftzeit – entlassen wird. Der Prüftermin dafür steht Ende September an, bestätigt der Oberstaatsanwalt. 

Darüber hinaus hat Manuel Matzke am 21. Februar einen Antrag auf Wiederverleihung der Wählbarkeit gestellt. Diesem Antrag ist die Staatsanwaltschaft Dresden zwar bereits entgegengetreten, so Jürgen Schmidt. Die Akten wurden allerdings am 21. März der Strafvollstreckungskammer Riesa übersandt – eine endgültige Entscheidung von dort liegt noch nicht vor, heißt es.

Doch egal, wie die letztlich ausfällt – für Manuel Matzke kommt sie zu spät. Die Frist zur Einreichung der Wahlvorschläge für die Stadtratswahl endete ebenfalls bereits am 21. März. Die Linke musste den 32-Jährigen deshalb von ihrer Kandidatenliste streichen, heißt es vom Ortsverein.

Die Auskunft der Staatsanwaltschaft dürfte für die Genossen eine Überraschung gewesen sein. Ein Führungszeugnis hat sich die Partei nach SZ-Informationen im Vorfeld nicht vorlegen lassen, das ist allerdings auch in vielen anderen Parteien nicht unbedingt üblich. Dennoch steht die Ortsgruppe nach wie vor hinter dem Häftling.

„Wir sind der Auffassung, dass jeder eine zweite Chance verdient.“ Manuel Matzke sei deshalb weiterhin Parteimitglied und soll Die Linke auch in Zukunft bei der Öffentlichkeitsarbeit unterstützen.

 Das sechswöchige Praktikum des 32-Jährigen, der bereits im Offenen Vollzug der JVA Zeithain lebt, endete allerdings Ende März und eine von der JVA angefragte Anstellung ist für den Ortsverein nicht finanzierbar, so die Linken-Kreisvorsitzende und Riesaer Stadträtin Uta Knebel. 

Im Gespräch mit der SZ übt die Partei nach der misslungenen Kandidatur, die sehr kontrovers in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, durchaus Selbstkritik: „Da das aber auch unser erster Fall in dieser Richtung war, müssen wir uns eingestehen, dass wir von vornherein rechtskundiger hätten sein müssen“, so Stadtratskandidat Erik Christopher Richter.

„Wir werden künftig mit Institutionen zusammenarbeiten, die ebenfalls zur Resozialisierung von Häftlingen beitragen und deren Erfahrungen in unserer Arbeit einfließen lassen.“

Manuel Matzke selbst will sich nach Rücksprache mit seinem Anwalt nicht mehr zu dem Thema äußern. Er befürchtet negative Konsequenzen für künftige Freigänge und für die von ihm angestrebte, vorzeitige Entlassung. 

Am Telefon mit den Äußerungen der Staatsanwaltschaft konfrontiert, gibt er offen zu, dass er nicht nur wegen Betruges, sondern auch wegen Körperverletzung und Raubes verurteilt wurde. Details nennt er nicht. Und ein zunächst vereinbartes Gespräch mit Manuel Matzke mit der SZ in der JVA kommt nicht zustande. 

Die Interviewanfrage wurde mit Blick auf das Neutralitätsgebot im Wahlkampf negativ beschieden, hieß es von der JVA Zeithain. Als Grundlage für diese Entscheidung wurden Hinweise des sächsischen Innenministeriums zur Vorbereitung der Kommunalwahlen angeführt.