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Der Forst ist ein Pulverfass

Trockenheit. Der Wald leidet unter der Hitze. Neben der Brandgefahr setzen auch Schädlinge dem Gehölz zu.

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Von W. StibenzundV. Bernau

Es riecht förmlich nach Waldbrand“, sagt Holger Neef. Der Naturexperte vom Forstbezirk Weißwasser kniet im tiefen Kiefernwald des Truppenübungsplatzes Nochten. Seine Hände wühlen in der Erde. „Der Boden ist heiß, oben liegen knochentrockene Kiefernnadeln – ein Funke genügt, um eine Katastrophe auszulösen“, erklärt er. Ursache: Nach drei Zentimetern verrotteter Pflanzen und lockerer Muttererde kommt schon der Sand. „Selbst wenn es regnet, hält sich da kein Wasser“, sagt Neef. Bis auf Kiefern wächst hier nur Farn und Gras. Feiner Landregen wäre perfekt. Die heftigen, aber kurzen Schauer der vergangenen Tage nützen gar nichts. Das Wasser perlt ab, sammelt sich in Senken, aber zumeist verdunstet es in wenigen Stunden.

In der Region gilt Waldbrandstufe vier. In Niesky etwa haben die Kameraden kürzlich ein 200 Quadratmeter großes Feuer gelöscht. Der Katastrophenschutzstab mitsamt Brandschutzexperten in der Nieskyer Zentrale hat die Lage aber unter Kontrolle: Die besonders gefährdeten Regionen fahren Förster und Wehrleute tagtäglich ab.

Sorgen gibt es dennoch. Der Monsterbrand bei Weißwasser von 1992 ist allen noch in leidvoller Erinnerung, die Schäden sind bis heute zu sehen.

Die Wehrmänner wissen um die regionalen Eigenarten von Geologie und Flora. Fest steht: Der Norden des niederschlesischen Oberlausitzkreises und der Hoyerswerdaer Raum haben sachsenweit die höchste Waldbrand-Gefährdungsklasse. Sechs von neun Feuerdetektoren des Freistaates sind hier installiert. In der wasserarmen Tagebauregion gibt es künstlich angelegte Feuerlöschteiche. Ein Löschhubschrauber aus Dresden dreht regelmäßig seine Runden, auf der Suche nach Rauchfahnen. Mit Brandenburg und Polen gibt es Abkommen – kostenlos düsen im Fall der Fälle deren Feuerwehren zum Brandherd. Kreisbrandmeister Henry Kossack konstatiert für diese Waldbrandsaison volle Einsatzbereitschaft: „Unsere Ausrüstung ist anständig – Reichenbach, Horka und die Neißeaue erhalten jetzt neue Einsatzfahrzeuge, der Förderbescheid für über 500-mal Schutzkleidung ist da.“

Die Wahrscheinlichkeit eines Brandes ist im Kreis klar verteilt: Sie nimmt von Norden nach Süden ab. Der Altkreis Weißwasser ist auf der Gefährdungskarte rot ausgemalt, der Rietschener Raum gelb und in der Nieskyer Region leuchtet hoffnungsvoll das Blau – die geringste Klasse. Grund: Im Süden dominiert Mischwald, gibt es mehr Wasserläufe, Seen und der Boden ist humusreicher.

Trotzdem hat auch Förster Manfred Schneider gestern an den Berzdorfer Halden neue Schilder aufgestellt: Hier wurde die Waldbrandgefahr von Stufe eins auf zwei erhöht. Die Granit- und Lehmböden, die Wasser speichern, das viele Laubholz in seinem Revier sorgen dafür, dass die Gefahr eines Brandes längst nicht so hoch wie im Norden des NOL-Kreises ist.

Die anhaltende Trockenheit bereitet ihm aus anderen Gründen Kopfzerbrechen. 47 Liter Niederschlag pro Quadratmeter hat er in seinem Buch für den vergangenen Monat notiert. 60 bräuchte der Wald.

„Vor allem für die jungen Pflanzen ist das knappe Wasser eine große Belastung“, sagt Schneider. Das so geschwächte Gehölz bietet Schädlingen wie dem Kupferstecher oder dem Buchdrucker eine perfekte Angriffsfläche. Erst jetzt zeige sich das langsame Sterben der älteren Birken, die während der Dürre vor drei Jahren von dem Ungeziefer zermürbt wurden.

Holger Neef wühlt nun im dunklen Mischwaldboden. „Hier ist viel Wasser gespeichert – die Natur kümmert sich quasi selbst um den Brandschutz“, sagt er, während er die nasse Erde zusammenpresst. Hier ist die Waldbrandgefahr geringer, aber trotzdem vorhanden. „Einige Leute rauchen Zigaretten im Wald, das ist schierer Wahnsinn“, sagt Neef. Verboten ist es auch, genauso, wie mit Autos in den Wald zu fahren. Ein heißes Auspuffrohr genügt, um eine Feuersbrunst auszulösen. Erreichen die Flammen die Baumkronen, steht der flachen, windigen Landschaft ein Feuersturm bevor. So wie 1992.